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Am Samstag marschieren erneut Rechtsextreme durch Berlin, darunter sind Mitglieder rechter Jugendgruppen. Wie ticken die jungen Rechten in Berlin?

Unter dem Motto „Für Recht und Ordnung: gegen Linksextremismus und politisch motivierte Gewalt“ wollen Rechtsextreme am Samstag (22. März) erneut durch Berlin-Friedrichshain ziehen. Das teilte das Aktionsbündnis Berlin in einer Telegramgruppe mit. Auch im Versammlungskalender der Stadt Berlin findet sich die geplante Demonstration.

Bilder vom letzten Aufmarsch zeigen vor allem Jugendliche und Heranwachsende unter den Demonstranten. Im Sommer 2024 sind gleich zwei rechte Jugendgruppen in Berlin gegründet worden, die „Deutsche Jugend Voran“ und „Jung & Stark“. Gründet sich eine neue, junge Neonaziszene in der Hauptstadt?

Stephan Kuhlmann von der Anlaufstelle Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin, ordnet die Jugendgruppen einem neuen Milieu aus besonders aktionsorientierten Rechtsextremen zu. „Sie vernetzen sich vor allem über soziale Medien“, sagt der Experte. In solchen Medien sei die Hürde für den Einstieg in die Szene deutlich geringer als bei gefestigten Strukturen.

Ein besonderes Merkmal der Jugendgruppen sei die starke Orientierung an einzelnen Feindbildern. Laut Kuhlmann begann das im Sommer 2024, als die Gruppen in einigen Städten versuchten, gezielt Christopher Street Day Paraden zu stören. Auch in Berlin suchen sie bei ihren Aufmärschen die Konfrontation.

Im Dezember trafen etwa 60 Rechtsextreme auf Tausende Gegendemonstranten in Friedrichshain. (Quelle: IMAGO/Andreas Friedrichs)

Daher würden die rechten Demonstranten bewusst den Ortsteil Friedrichshain auswählen, sagt Kuhlmann weiter. Der Kiez gilt seit Jahren als Hochburg der linken und linksautonomen Szene. Bei jedem Aufmarsch sind die Rechtsextremen den Gegendemonstranten deshalb zahlenmäßig deutlich unterlegen. Warum ziehen sie dann durch Friedrichshain?

Laut Kuhlmann geht es den Demonstranten darum, „sich selbst als besonders gewaltbereit und militant zu inszenieren”. Deshalb tritt ein Großteil der Teilnehmer vermummt, laut und aggressiv auf. Doch auch neben solchen Aufmärschen beobachtet die Beratungsstelle eine beunruhigende Entwicklung.

Mit dem Aufkommen dieser Gruppen lasse sich auch eine Zunahme rechtsextremer Gewalt feststellen. „Die Taten erfolgen meist spontan, aber dennoch gezielt“, sagt der Experte. Ein Beispiel sei der Angriff auf mehrere SPD-Mitglieder im Dezember in Lankwitz.

Dabei trafen mutmaßliche Mitglieder der rechten Jugendorganisation „Deutsche Jugend zuerst“ zufällig auf SPD-Mitglieder in Lankwitz und prügelten auf sie ein. Mehr dazu lesen Sie hier. Die Jugendgruppen in Berlin zeigen laut Kuhlmann generell eine „hohe Gewaltbereitschaft“.

Polizisten begleiten Teilnehmer einer rechtsradikalen Demonstration im Dezember zur Bahn: „Es geht darum, sich als besonders gewaltbereit und militant zu inszenieren“. (Quelle: Fabian Sommer/dpa)

Besonders deutlich wird das bei dem mutmaßlichen Kopf der Gruppe „Deutsche Jugend Voran“. In der vergangenen Woche wurde der Mann angeklagt. Dem 24-Jährigen wird laut Staatsanwaltschaft schwerer Raub und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Mehr dazu lesen Sie hier.

Sorge bereitet Kuhlmann, dass rechtsextreme Jugendliche zunehmend öffentlich auftreten und sich stärker organisieren. Um gegen die Entwicklung vorzugehen, brauche es unter anderem mehr Aufklärungsarbeit durch Beratung und entsprechende Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte an Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen. Insbesondere sollten auch „nicht-rechte Jugendkulturen“ gestärkt werden.

Laut der „taz“ ist die Demo am Samstag erneut vom Ex-AfD-Politiker Ferhat Sentürk angemeldet worden. Auf der Plattform X ruft er zur Teilnahme auf. Er wünsche sich einen „friedlichen Umgang“.

Bei den letzten Demonstrationen versuchten viele linke Gruppen die Straßen zu blockieren. Doch auch gegen einige rechtsextreme Demonstranten seien Strafanzeigen erstellt worden, unter anderem wegen Volksverhetzung und des versuchten Angriffs auf Journalisten, teilte die Polizei mit.

Gegen den Aufmarsch am Samstag sind mindestens sechs Gegendemonstrationen nahe der Route angemeldet. Im Dezember wurde die Marschroute der Rechten verkürzt. Ursprünglich sollte sie unter anderem über die Rigaer Straße verlaufen, wo auch ein teilweise besetztes Haus der linksradikalen Szene steht. Das untersagten die Behörden letztlich. Auch am Samstag wurde die Route geändert und führt nicht mehr direkt durch die Straße.

Nach Informationen des „Tagesspiegel“ werden weitere rechtsextreme Jugendgruppen aus anderen Bundesländern zu dem Aufmarsch anreisen. Die Zahl der rechten Demonstranten könnte also höher sein als bei den vergangenen Versammlungen.

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