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Er ist Donald Trumps hochumstrittener Gesundheitsminister. Der erklärte Impfgegner Robert F. Kennedy Jr. ist 2020 vor „Querdenkern“ in Berlin aufgetreten – und floh damals vor der Polizei. Rekonstruktion eines kuriosen Vorgangs.

„Börlin, Börlin, wir fahren nach Börlin“: Robert F. Kennedy Jr., der jetzt zum Entsetzen fast aller Gesundheitsexperten US-Gesundheitsminister werden soll, sagte das lachend in einem Video im August 2020. Da saß er auf einem Podium in der deutschen Hauptstadt, eingeflogen rechtzeitig zur größten „Querdenker“-Demo. Und das zu einer Zeit, in der Reisen durch Corona-Auflagen mit großen Einschränkungen verbunden waren.

Deshalb warf es Fragen auf, als Robert F. Kennedy Jr. in Berlin war und am 29. August Hauptredner an der Siegessäule bei der Großdemo von „Querdenken“ war – gefeiert und bejubelt von den Demo-Teilnehmern. Die Polizei hatte auch Fragen – und angeblich kam es zu einer James-Bond-reifen Flucht. Von einem „Querdenken“-Anwalt hört sich das aber spektakulärer an als von den Ordnungshütern.

Die Polizei Berlin bestätigt auf Anfrage von t-online, dass Einsatzkräfte am 29. August 2020 tatsächlich von der Einsatzleitung den Auftrag hatten: Sie sollten nach dem Amerikaner Ausschau halten und im Falle des Antreffens eine Personenüberprüfung vornehmen. Es ging darum, ob Kennedy gegen die seinerzeit gültige Corona-Infektionssschutzmaßnahmenverordnung verstoßen hat, so die Polizei.

Impfgegner-Organisation als Hintertür für Deutschland-Trip

Die USA waren zu der Zeit als Hochrisikoland eingestuft, sogar Paare waren lange getrennt, weil die Reise hin oder her unmöglich war. Einreisesperren in die EU wurden verlängert für Länder mit hohen Werten – die in den USA herrschten.

Kennedy hatte donnerstags in Kalifornien noch einen Termin wahrgenommen, ehe er sich freitags volksnah am Brandenburger Tor zeigte. Sein Anwalt Markus Haintz, der zu der Zeit als Mitgründer von „Querdenken“ Ulm auftrat, beantwortete damals Fragen dazu nicht. Später erklärte er t-online: „Alles rechtlich sauber gelaufen.“ Schließlich habe es Ausnahmen von der Quarantäne gegeben – für „Verantwortliche von international tätigen Organisationen“.

Kennedy hatte demnach eine Hintertür nach Deutschland gefunden durch seine Impfgegnerorganisation Children’s Health Defense (CHD). Weil Kennedy sein wissenschaftsfeindliches Netzwerk nach Europa erweitern wollte, durfte er offenbar mitten in der Gesundheitskrise eine Ausnahmeregel nutzen.

Children’s Health Defense gilt als eine der wichtigsten Quellen für Falschinformationen zu Impfungen. Im Onlineshop fanden sich Babystrampler mit Aufdrucken „Kein Impfschutz, kein Problem“.

Auf das Thema Impfen hatte sich der einst erfolgreiche Umweltanwalt Kennedy zunehmend verlegt. Er verbreitete die widerlegte Behauptung, Impfen führe zu Autismus. Das verfolgt ihn nun bei der Frage, ob er Gesundheitsminister werden darf. Die nötige Mehrheit der Republikaner im Senat für seine Bestätigung ist mit drei Stimmen dünn.

Bei seiner Anhörung in der vergangenen Woche stellte er manche frühere Aussage in Zweifel und erklärte, er unterstütze die Impfungen gegen Polio und Masern und habe keine Verbindungen mehr mit Children’s Health Defense. (Lesen Sie hier mehr zur Anhörung und zu eindringlichen Warnungen von Familienmitgliedern vor Kennedy). Bis 2023 leitete Kennedy CHD. In dem Jahr transferierte die Gruppierung nach Recherchen der „New York Times“ 315.000 Dollar nach Europa, um auch hier ihre Mission zu verbreiten.

Für Gründung von Europa-Ableger in Deutschland

Im ersten Corona-Jahr 2020 hatten sich die Einnahmen seiner Organisation mit ihm als Zugpferd auf 6,8 Millionen Dollar mehr als verdoppelt. Und sie expandierte.

So gründete sich am Wochenende der Berliner Großdemo der Ableger Children’s Health Europa. Auf einer Pressekonferenz in Berlin saßen neben Kennedy Beiratsmitglieder der neuen Organisation, die bereits in der Szene unterwegs waren: Eine Vertreterin des European Forum for Vaccine Vigilance (EFVV), einer von Homöopathen geprägten Dachorganisation nationaler Impfgegner, und eine Bayerin aus dem „Netzwerk Impfentscheid Deutschland“.

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