Bundespräsident Steinmeier und sein türkischer Amtskollege Erdoğan starten in Ankara eine gegenseitige Charmeoffensive. Aber vor allem eine Frage wird für Deutschland und die Türkei zur Belastungsprobe.

Es hatte ungemütlich angefangen. Mit „Mörder Deutschland“-Rufen empfingen wütende Demonstranten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Montag in Istanbul. Die türkische Bevölkerung steht im Gaza-Krieg größtenteils auf Seiten der Palästinenser und sogar der Hamas, selbst nach deren Terrorangriff auf israelische Zivilisten am 7. Oktober. Deshalb verurteilen sie die deutsche Unterstützung für Israel.

Der Nahostkonflikt überschattete Steinmeiers dreitägigen Besuch in der Türkei – obwohl er als Charmeoffensive gedacht war. Anlass war zwar der 100. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und der Republik Türkei. Aber es ging um viel mehr: Deutschland und die Europäische Union sehen durch die gegenwärtige politische Schwäche des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ein Momentum gekommen, um sich der Türkei nach Jahren des Streits endlich wieder anzunähern.

Die Botschaft dahinter: Mitten im globalen Krisengewitter und wirtschaftlich herausfordernden Zeiten könnten die Türkei und auch Deutschland enger zusammenarbeiten. Immerhin will Erdoğan laut eigenem Bekunden bei keiner Wahl mehr antreten, und er bräuchte dann auch nicht mehr den ständigen Streit mit dem Westen, aus dem er in der Vergangenheit oft politisches Kapital schlagen wollte. Doch so einfach, wie das klingt, ist es nicht.

Die Distanz zu Erdoğan ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden, er ist kein lupenreiner Demokrat und sein Verhältnis zu islamistischen Gruppen wie der Hamas oder auch dem IS sorgen für großen Unmut im Westen. Die Strategie der Bundesregierung im Umgang mit der Türkei scheint nun zu sein, die wirtschaftlichen Beziehungen auszubauen, auch wenn es bei einigen Themen weiterhin Streit gibt. Kann das funktionieren?

Langjährige Weggefährten

Zumindest war es kein Zufall, dass Bundespräsident Steinmeier eine ungewohnt tragende außenpolitische Rolle übernahm. Erdoğan und er waren zwar nie Freunde. Aber er kennt Erdoğan, der in der Türkei seit über 21 Jahren an der Macht ist, schon sehr lange. Besonders aus seiner Zeit als Außenminister, von 2005 bis 2009.

Beide können sich einschätzen und das ist im Moment politisch wertvoll. Zuletzt endeten die bilateralen Treffen zwischen Deutschland und der Türkei oftmals in einem Eklat. Grund war meistens der Nahostkonflikt und der Umgang mit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober. Ende Oktober 2023 reiste Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach Ankara, bei einem Treffen mit dem türkischen Vizepräsidenten Cevfet Yilmaz gab es heftigen Streit. Im November kam Erdoğan zu seinem Antrittsbesuch nach Berlin. Die Bundesregierung wollte diesen Besuch möglichst kurz halten, der türkische Staatschef reiste noch am selben Tag wieder ab. Trotzdem endete auch dieses Aufeinandertreffen damit, dass Erdoğan bei der Pressekonferenz deutsche Journalisten beschimpfte.

Hinzu kam die lange Blockade der Nato-Beitritte von Schweden und Finnland durch die Türkei, was in der EU für große Wut sorgte.

Debatte um Döner

Steinmeier wollte daher in der Türkei positive Signale setzen. Allein die dreitägige Dauer war ein deutliches Zeichen des Respekts und der Wertschätzung. Im Zentrum stand dann zunächst vor allem ein Gericht, auf das sich Deutschland und die Türkei verständigen können: Döner.

Der Bundespräsident hatte einen Dönerspieß im Gepäck, legte am Montag in Istanbul bei einem Festakt selbst Messer an und servierte das Fleisch. Erdoğan nahm den Ball auf, auch bei einem Empfang am Mittwoch in Ankara gab es für die deutsche Delegation Döner.

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