Ein unheimliches Virus breitet sich aus, im Volksmund wird es Pest genannt. Herbstjagden werden reihenweise abgesagt, die Dimensionen sind erschreckend.

Die Myxomatose greift in Deutschland um sich. Die tödliche Virus-Erkrankung soll in einigen Regionen bereits bis zu 90 Prozent aller Feldhasen dahingerafft haben, so etwa im niedersächsischen Emsland. Die Feldhasenbestände seien ernsthaft bedroht, heißt es.

Weiter südlich, im Nachbarbundesland Nordrhein-Westfalen, nahm der Ausbruch im August seinen Anfang. Die Krankheit breitete sich vom Niederrhein ausgehend immer weiter aus.

Im September publizierte der Landesjagdverband NRW auf seiner Internetseite eine eindringliche Warnung: „Was in den letzten Wochen passiert, wurde in diesen Dimensionen noch nie beim Feldhasen beobachtet“, hieß es darin. Um ein genaues Bild der Lage zu erhalten, sollten alle Jäger verendete Feldhasen sammeln und einschicken.

Ende Oktober war von einer „ungebremsten Ausbreitung“ die Rede. Auch Spaziergänger sollten aktiv werden, bat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW. „Wenn Privatpersonen einen sehr kranken oder verendeten Feldhasen finden, sollten diese an den Jagdausübungsberechtigten gemeldet werden“, appellierte ein Sprecher an die Bevölkerung.

Die Sorge ist groß. „Wir haben Angst um unsere Feldhasen“, sagt Luisa Fischer von der Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung t-online. Bei ihr laufen in NRW die Fäden zusammen. Bis zum 1. November zählte sie schon rund 200 eingeschickte Feldhasenkadaver, die positiv auf Myxomatose getestet wurden. Die Diagnosen wurden laut Fischer „im Akkord“ gestellt – und sie betont, dass ihr bei Weitem nicht alle toten Tiere zugeschickt werden.

Toter Feldhase: Kranke Tiere entwickeln knotige Veränderungen an Maul, Nase, Genital und After, an inneren Organen treten Ödeme und Blutungen auf. (Quelle: Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung NRW)

Die Myxomatose wird im Volksmund Kaninchen-Pest genannt, auch wenn der Erreger, das Myxomavirus, zur Familie der Pockenviren gehört. Erste Ausbrüche wurden 1896 in Uruguay bei Hauskaninchen dokumentiert, dann wurde das Virus 1952 absichtlich nach Frankreich eingeführt, um die dortigen Wildkaninchenbestände zu dezimieren.

Die Folgen waren verheerend: Die Wildkaninchenpopulation ging in dieser Zeit in Europa um 99 Prozent zurück. Praktisch jedes infizierte Tier starb, bis die überlebenden Tiere eine weitgehend immune Population bildeten und sich die Bestände erholten.

Feldhasen waren lange kaum betroffen. Wurden sie angesteckt, blieben die Verläufe zumeist mild. Bis 2018 in Spanien eine neue Variante auftrat: Plötzlich starben die Feldhasen massenweise. Die Kadaver hatten knotige Veränderungen an Maul, Nase, Genital und After, an inneren Organen traten Ödeme und Blutungen auf. Rund die Hälfte aller Iberischen Feldhasen kam laut Expertin Fischer ums Leben. Das hat auch Auswirkungen auf andere Tiere, wie den Iberischen Luchs und den Spanischen Kaiseradler, für die Feldhasen wichtige Beutetiere sind.

Nun wütet die spanische Variante in Deutschland. Wie das Virus an den Niederrhein kam, ist unklar. Vielleicht werde dieses Rätsel nie gelöst, sagt Fischer. Zumindest theoretisch denkbar sei auch eine spontane Mutation, die zu der spanischen Variante fast identisch sei.

Aus Sorge um die hiesigen Bestände wurden bereits in vielen Revieren Herbstjagden abgesagt. Der Landesjagdverband NRW rief sogar dazu auf, die Bejagung von Feldhasen vorerst komplett einzustellen: „Jeder Hase mit geschultem Immunsystem ist wichtig“, zitierte das Jagdmagazin „Wild und Hund“ den Verband.

Immerhin: Mit dem einsetzenden Frost werden die Ansteckungsraten sinken, prognostiziert Expertin Fischer. Denn das für den Menschen ungefährliche Virus wird in erster Linie von blutsaugenden Insekten wie der Stechmücke übertragen.

Aber wenn die Mückensaison 2025 startet, kommt vermutlich auch das Virus wieder zurück. „Es wird in den Überträgern sehr wahrscheinlich überwintern“, erklärt Fischer t-online. „Aber eine kleine Hoffnung bleibt natürlich immer.“

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