„Diese Zahl stimmt so nicht“
Haben sich die Wirtschaftsweisen verrechnet?
15.11.2025 – 17:15 UhrLesedauer: 2 Min.
Die Bundesregierung plane zu wenige Investitionen mit ihrem Sondervermögen, kritisieren die Wirtschaftsweisen. Nun widerspricht ein Regierungsberater.
Im kürzlich veröffentlichten Jahresbericht der sogenannten Wirtschaftsweisen muss sich die Regierung von Kanzler Merz viel Kritik anhören. Unter anderem schreibt der einflussreiche Sachverständigenrat, dass die geplanten Investitionen in den kommenden Jahren zu gering seien im Vergleich zur Finanzplanung der Ampelkoalition – und das trotz des Sondervermögens in Höhe von 500 Milliarden Euro, das Schwarz-Rot zur Verfügung steht. Doch diese Kritik weist die Regierung nun zurück.
So schreibt der Wirtschaftsexperte Jens Südekum, ein Berater von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD), in einem Gastbeitrag für „Die Zeit“, dass die Wirtschaftsweisen in ihrem Gutachten einen wichtigen Punkt vergessen hätten – die sogenannten finanziellen Transaktionen. Sie geben dem Bund seit der Einführung der Schuldenbremse 2011 die Möglichkeit, für Investitionen zusätzliche Schulden außerhalb des Kernhaushalts aufzunehmen. Südekum bezieht sich in seiner Replik auf einen zentralen Punkt im Gutachten der Wirtschaftsweisen.
Darin heißt es auf Seite 100 unter Ziffer 88 : „Im Vergleich mit der mittelfristigen Finanzplanung der vorherigen Ampel-Regierung sieht der neue mittelfristige Finanzplan bis einschließlich des Jahres 2028 zusätzliche Investitionen von 63,9 Milliarden Euro vor.“ Diese Berechnung weist Südekum deutlich zurück: „Würde diese Zahl stimmen, wäre tatsächlich etwas faul. Denn im Vergleich zur Ampelplanung sind zusätzliche Kredite von 174,9 Milliarden Euro geplant, dann wären zusätzliche Investitionen von nur 64 Milliarden Euro tatsächlich mager“, schreibt der Professor für Volkswirtschaftslehre. „Doch diese Zahl stimmt so nicht.“
Laut Südekum ergeben sich deutlich höhere Investitionen, wenn die „finanziellen Transaktionen“ in die Rechnung einfließen. „Bis 2028 sind das 120 Milliarden Euro, bis 2029 sogar 164 Milliarden Euro, also rund 100 Milliarden Euro mehr, als der Sachverständigenrat schreibt“, so Südekum. „In Wirklichkeit dürfte das Maß der zusätzlichen Investitionen, das die aktuelle Bundesregierung plant, sogar noch größer sein, denn die alten Ampelpläne – also der Vergleichsmaßstab – waren nicht ausfinanziert und hätten sich vermutlich in diesem Umfang gar nicht realisieren lassen.“ Doch Südekum räumt auch ein, dass „der Sachverständigenrat an einigen Stellen durchaus recht mit seiner Kritik“ hat.
So hebt auch der Berater des Finanzministers hervor, dass die Kommunen bei den geplanten Investitionen nicht zu kurz kommen dürften. Die Wirtschaftsweisen hatten kritisiert, dass es keine klaren Regeln für die Weiterreichung von Mitteln an die Kommunen gebe. „Die Länder könnten die zusätzlichen Mittel teilweise nutzen, um strukturelle Haushaltsdefizite auszugleichen“, warnen sie auf Seite 98 unter Ziffer 84. Diese Sorge teilt auch Südekum.
„Gerade mit Blick auf die Bundesländer stellen sich Fragen“, schreibt er in der „Zeit“. „Sie bekommen insgesamt 100 Milliarden vom SVIK (Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz, Anm. d. Red.) ab. Die sollen eigentlich an die Kommunen durchgereicht werden, denn die sind für einen erheblichen Teil der öffentlichen Infrastruktur (etwa für Schulen oder Kitas) verantwortlich. Doch die Länder haben hier auf Flexibilität und eigene Entscheidungen bestanden“, so Südekum weiter. „Trotzdem bleibt die Erwartung klar: Das Geld muss in Investitionen vor Ort fließen. Der Sanierungsstau ist groß.“












