US-Präsident Donald Trump verfolgt bei seiner Zollpolitik keine klare Linie. Deutsche Ökonomen warnen vor dramatischen Folgen. Allein ein Punkt gibt Anlass zur Hoffnung.
Zölle rauf, doch wieder runter, dann werden sie ausgesetzt: US-Präsident Donald Trump verunsichert mit seiner Zollpolitik internationale Konzerne, Finanzschauplätze und Regierungen. Manch einer stellt sich die Frage: Weiß der Mann überhaupt, was er tut? Sicher beantworten kann diese Frage unterdessen wohl kaum jemand – zu erratisch wirkt seine Handelspolitik.
Die Änderungen und Anpassungen aus Washington kommen in hoher Schlagzahl: Nachdem Trump in der vergangenen Woche die Zölle auf chinesische Importe auf 145 Prozent geschraubt und China wiederum mit Gegenzöllen von 125 Prozent reagiert hatte, wurde am Freitag eine Ausnahme bekannt. Elektronische Produkte wie Smartphones oder Laptops sollen zunächst nicht unter die Zollregelungen fallen. An den Börsen verschaffte das Tech-Konzernen Auftrieb.
Die US-Regierung hat allerdings betont, die Ausnahme für elektronische Produkte sei nur „vorübergehend“. Trump kündigte zudem am Sonntag an, er werde „im Laufe der Woche“ neue Sonderzölle für Halbleiter-Importe ankündigen. Auch Arzneimittel sollen dann betroffen sein. Die Zölle würden „in nicht allzu ferner Zukunft“ in Kraft treten. Trump will damit strategisch wichtige Produktionen in die USA verlagern.
Auch auf diese Ankündigungen reagierte China prompt und setzte am Montag laut der „New York Times“ den Export von Seltenen Erden aus – nicht nur in die USA, sondern weltweit. Damit stehe die Produktion von Elektromotoren, Mikrochips und Hightech-Komponenten für Autos und Flugzeuge vielerorts auf der Kippe. Das könnte auch deutsche Industriezweige empfindlich treffen.
Ein Ende des Zollstreits zwischen China und den USA ist nicht in Sicht, Experten sehen trotzdem noch eine Möglichkeit, Trump umzustimmen.
Clemens Fuest, der Chef des Münchner Ifo-Instituts, warnt mit Blick auf den Handelskonflikt vor einer neuen Weltwirtschaftskrise. „Das ist leider nicht auszuschließen“, sagte Fuest der „Süddeutschen Zeitung“. Die Amerikaner allein würden die Weltwirtschaft zwar nicht in die Krise stürzen. „Aber wenn sich der Protektionismus immer schneller ausbreitet, in China und in Europa, dann ist das eine große Gefahr. Wenn alle in die falsche Richtung gehen, kann es zu einer großen Krise kommen“, sagte Fuest.
Jürgen Matthes, Ökonom am Institut der deutschen Wirtschaft (IW), geht davon aus, dass eine wichtige Veränderung bereits angestoßen wurde. „Die massiven, gegenseitigen Zölle zwischen den USA und China werden mittelfristig zu einer Entkopplung im Warenhandel führen“, sagte er t-online. „Die Frage ist, ob beide Seiten angesichts der gravierenden gegenseitigen Auswirkungen noch zurückrudern werden.“
Von der Leyen: „Große Bandbreite von Gegenmaßnahmen“
Die Europäische Union hält sich unterdessen zurück. Neben den Ausnahmen für Technik haben die USA am vergangenen Mittwoch auch eine 90-tägige Absenkung der Zölle für eine Reihe von Ländern auf zehn Prozent verkündet. Für die EU bedeutet das eine Halbierung des zuvor angekündigten Zollsatzes, aber dennoch einen höheren Aufschlag auf Exporte in die USA als zuvor. Die EU setzte daraufhin Gegenzölle auf mehrere Produkte aus den USA ebenfalls für 90 Tage aus, auch wenn Trumps Zölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte in Höhe von 25 Prozent weiterhin Bestand haben – und diese waren der eigentliche Grund für die Gegenmaßnahmen der EU.
Die EU wolle mit Washington verhandeln, hieß es mehrfach. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verwies auf „eine große Bandbreite von Gegenmaßnahmen“, sollten die Gespräche scheitern. „Man könnte zum Beispiel eine Abgabe auf die Werbeeinnahmen digitaler Dienste erheben“, sagte sie der „Financial Times“. Dafür könnte ein Instrument zur Bekämpfung von Zwangsmaßnahmen zum Einsatz kommen, das bislang noch nie genutzt wurde. Brüssel könnte so Dienstleistungen ins Visier nehmen und den Zugang von US-Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen einschränken. Was das bedeuten würde, lesen Sie hier.
Nichts zu tun wird auf Dauer keine Option sein, denn schon jetzt haben die Zölle unerwartete Folgen. So suchen internationale Kunden inmitten des Zoll-Chaos nach Alternativen zu Technologien aus den Vereinigten Staaten. Der „Spiegel“ berichtet, dass der deutsche Unternehmer Peer Heinlein, der mit OpenCloud eine Cloudlösung und Mailbox.org E-Mailpostfächer anbietet, seit Jahresbeginn 62 Prozent mehr Nutzer verzeichnet habe. Frank Karlitschek, Gründer der deutschen Softwarefirma Nextcloud, macht ähnliche Erfahrungen. „Aktuell gibt es dreimal so viele Anfragen wie sonst“, sagte er.