Es läuft gerade nicht gut für die Grünen. Wie wird es wieder besser? Diese Frage reißt in der Partei alte Gräben auf. Im Zentrum steht eine Strategie des Vizekanzlers.
Manchmal muss man Prioritäten setzen. So wie Robert Habeck vergangene Woche in Bad Vilbel, Hessen. Der Vizekanzler sollte auf dem kleinen Parteitag der Grünen zum Thema “Das Land zusammenhalten” sprechen. Doch eigentlich versuchte er mit seiner Rede, die Partei zusammenzuhalten. Eine Partei, die zuletzt so viele Kompromisse schlucken musste, dass sich die Ersten fragen, ob das eigentlich immer so weitergehen soll.
Mehr Kohle- und Atomstrom, Waffenexporte nach Saudi-Arabien, eine neue Flüssiggas-Infrastruktur und nun auch noch die EU-Asylreform. Das ist vieles, nur keine grüne Herzenspolitik. Und dann kommt noch der dauernde Ärger mit den Koalitionspartnern obendrauf, der Heizungsstreit war ja nur der wilde Höhepunkt.
Embed
Lange schien den Grünen all das eher zu nutzen als zu schaden. Sie konnten sich vom Abwärtstrend der Ampelpartner SPD und FDP entkoppeln, legten zwischenzeitlich deutlich zu. Doch damit ist es vorbei. Heizminister Habeck stürzt in Beliebtheitsrankings immer weiter ab. Und seine Grünen liegen in ersten Umfragen mit nur noch 13 Prozent unter ihrem schwachen Ergebnis der Bundestagswahl.
In Zeiten der multiplen Krisen stecken die Grünen nun selbst in einer. Wie kommen sie da wieder raus? Robert Habeck beantwortete diese Frage in seiner Rede mit einem Zitat des Liedermachers und DDR-Oppositionellen Wolf Biermann: “Lass dich nicht verhärten in dieser harten Zeit.” Klingt gut. Doch was das jetzt konkret für die Grünen bedeuten muss, darüber gibt es in der Partei längst eine heftige Debatte. In der es auch darum geht, wie sie sich besser gegen die FDP durchsetzen.
“Nicht zurück in die Nische”
Dabei sind sich die meisten Grünen in der Analyse ihrer Situation noch recht einig: Eine Partei, die viel verändern will, stößt auf viel Widerstand. “Wir haben gewusst, dass der Wind immer von vorne kommt, wenn wir regieren”, sagte Habeck in Bad Vilbel. “Der wird auch nicht wieder weggehen.” Man müsse nun damit umgehen. Was für ihn vor allem heißt: “Wir dürfen uns nicht in die Ecke, in die Nische, in die Falle treiben lassen.”
Die Nische, in der man Politik von Grünen für Grüne macht und im eigenen Wohlfühlmilieu bleibt – sie ist in der Partei schon seit vielen Jahren zum Schimpfwort geworden. Nur die wenigsten Grünen mit Einfluss wünschen sich dorthin zurück.
Doch was das eigentlich bedeutet, ist schon gar nicht mehr so klar. Was ist Nische – und was wichtige Grundüberzeugung, ohne die es die Grünen gar nicht mehr braucht? Wie sehr muss die Partei Rücksicht nehmen auf die Teile der Gesellschaft, die das mit der Veränderung so gar nicht einsehen? Wie wandelbar müssen die Grünen selbst sein, um Wandel bringen zu können?
Die neue grüne Geschmeidigkeit
Für Robert Habeck und das Realo-Lager lautet die Antwort: so wandelbar wie nötig. Hauptsache nicht verhärten eben. Es gebe nun Druck von allen Seiten, sagte Habeck in Bad Vilbel, sehr viel Konfrontation. “Aber daraus darf nicht folgen, dass wir konfrontativer werden.” Es ist die neue grüne Geschmeidigkeit.
Veränderungen würden zwar auf Parteitagen beklatscht, sagte Habeck, aber sie seien oft Zumutungen – und träfen auf eine Gesellschaft, die nervös sei, porös, verängstigt angesichts der Krisen. “Wir müssen also immer in unsere Politik mit einbeziehen, vom Heizen bis zum Asyl, dass wir in einer Demokratie für Mehrheiten arbeiten müssen.”