Wie Elon Musk den Verlauf von Kriegen beeinflusst

Guten Morgen liebe Leserin, lieber Leser,

hat der amerikanische Tech-Milliardär Elon Musk in der Ukraine den Ausbruch eines dritten Weltkrieges verhindert? So jedenfalls klingt es, wenn man seinem Biografen zuhört, dem bekannten amerikanischen Schriftsteller Walter Isaacson. Meinem Kollegen Marc von Lüpke und mir hat er dazu ein ausführliches Interview gegeben, das Sie hier lesen können. Walter Isaacson zufolge trug sich 2022, nach dem völkerrechtswidrigen Einmarsch der Russen in die Ukraine, Folgendes zu:

Eines Nachts im September wollte die Ukraine die russische Schwarzmeerflotte in Sewastopol mit Unterwasserdrohnen versenken. Starlink-Satelliten sollten ihr dabei helfen, die Drohnen ins Ziel zu lenken. Starlink ist ein von Elon Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX betriebenes Satellitennetzwerk, mit dem sich aus dem All heraus Internetverbindungen betreiben lassen. Und es ist das wohl einzige System, das die Russen nicht hacken können. Für die Ukraine ist Starlink daher seit Kriegsbeginn von unschätzbarem Wert. Zumal Musk dem angegriffenen Land das System nach dem russischen Überfall im Februar 2021 zunächst kostenlos zur Verfügung stellte.

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Als Musk also von dem großen Angriffsplan der Ukraine gegen die russische Schwarzmeerflotte mitbekam, war er besorgt: “Das wäre wie der Angriff der Japaner auf Pearl Harbour im Zweiten Weltkrieg gewesen. Musk bekam es tatsächlich mit der Angst zu tun”, verriet uns Walter Isaacson. “Dieser Angriff hätte einen Weltkrieg auslösen können, fürchtete Musk.” Die Konsequenz daraus war laut Isaacson: Der Multimilliardär ließ Starlink rund um die Krim herum abschalten. Musks Version der Vorgänge lautet: Er habe verhindert, dass Starlink in dieser Region aktiviert wurde – und damit wahrscheinlich den Dritten Weltkrieg verhindert.

Hat Elon Musk recht? Hätte Putins Russland darauf mit einem Atomschlag reagiert? Hätte es einen dritten Weltkrieg gegeben? Oder wäre auch folgendes Szenario möglich gewesen: Mit dem Schlag gegen die wichtige russische Flotte wäre der Krieg frühzeitig beendet worden und es hätten viele Hunderttausend Tote verhindert werden können. Was wirklich passiert wäre, werden wir nie erfahren.

Was wir hingegen erfahren, ist bedenklich: Elon Musk hat aktiv ins Kriegsgeschehen eingegriffen – mit seiner Technologie und mit seinen Entscheidungen. Das zeigt: Er besitzt eine ungeheure und unkontrollierte Macht. Der Tesla-Chef bestimmt mit SpaceX, wo, wie und zu welchem Zweck Waffen eingesetzt werden. Das ist ein bisschen so, also würde nicht die deutsche Bundesregierung, sondern der Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann darüber entscheiden, auf welche Ziele die Leopard-2-Panzer schießen dürfen und auf welche nicht.

Elon Musk ist darüber hinaus auch noch der Chef einer der mächtigsten Kommunikationsplattformen der Welt. Mit X, ehemals Twitter, kann er die öffentliche Meinung gezielt lenken, so wie er es für richtig hält. Seine Beteuerungen, er wolle dort lediglich alle Seiten gleichberechtigt zu Wort kommen lassen, sind kaum zu überprüfen. Musk allein verfügt über die Macht des X-Algorithmus.

Der Einfluss von Elon Musk auf das politische Weltgeschehen ist bedenklich. Laut Walter Isaacson soll sich der Multimilliardär zwar sogar selbst gefragt haben: “Wer gibt mir diese Macht?” Starlink habe er eigentlich nur erfunden, damit die Menschen weltweit Videos ansehen und sich mit Computerspielen amüsieren könnten. Aber das ist erstens billig und zweitens untertrieben. Denn natürlich hat er seine Macht auch genutzt, als er sich entschied, die Ukraine bei ihrem Angriff gegen die russische Flotte nicht mit Starlink zu unterstützen. Und mit Starlink lassen sich natürlich nicht nur Videos anschauen und Computergames spielen. Das dürfte gerade dem Genie Elon Musk schon vorher klar gewesen sein.

Der Mogul Musk kontrolliert mit Starlink eine hochsensible, kritische Kommunikationsinfrastruktur. Global können damit Konflikte, Krisen und Kriege beeinflusst werden. Ob zum Guten oder zum Schlechten, darüber entscheiden nicht Regierungen, Militärs oder die Bürger eines Landes – sie sind lediglich die Betroffenen. Darüber entscheidet einzig und allein ein Milliardär, ihm und seinen Eingebungen sind sie ausgeliefert, von ihm sind sie abhängig.

Das Problem ist: Als Privatmann und reichster Mensch der Welt baut Elon Musk seine Macht immer weiter aus. Während seine Firmen Tesla, SpaceX oder Neuralink zwar ungeheuer innovativ sind und Fortschritt vorantreiben, entziehen sich seine Entwicklungen zugleich den Gesetzen und Regulierungen der Länder, in denen er sie einsetzt.

Außerdem sind für Musk im Zweifelsfall Gewinnmotive ausschlaggebend. Bestes Beispiel: China. Der chinesischen Diktatur beugt sich Elon Musk in Bezug auf Starlink durchaus. Dort hat die Regierung nämlich einen expliziten Wunsch: Starlink soll weder der chinesischen Bevölkerung dabei helfen, die von Peking eingesetzten Internetsperren und die tägliche Zensur zu umgehen. Noch soll Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs, wie die Ukraine gegen Russland in der Lage sein, sich mithilfe von Starlink zu verteidigen oder gar anzugreifen. Biograf Isaacson verriet uns dazu: “Musk [hat] eine Fabrik in Shanghai, in der viele Teslas gebaut werden. Es wäre also unklug, China gegen sich aufzubringen.”

Gewinnmotive entscheiden also über Netzwerkzugänge, über Datenverarbeitung und über veröffentlichte Meinung oder Zensur. Doch letztlich ist dafür nicht einmal Elon Musk die Schuld zuzuschreiben. Er nutzt nur die Möglichkeiten, die sich ihm bieten.

Es ist die Aufgabe unserer Gesellschaften und Regierungen, Gesetze zu schaffen, um derart gefährliche Machtkonzentrationen zu verhindern. Auch innovative Branchen wie im Bereich Weltraum und Satellitenkommunikation müssen am besten international reguliert und vor allem muss Transparenz eingefordert werden. Von seinem Biografen haben wir nun zwar erfahren, wie Elon Musk im Ukraine-Krieg Einfluss genommen hat. Welche Entscheidungen aber bleiben unbekannt und für uns alle unsichtbar?

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