Einnahme von Bachmut – das droht Putins Truppen
Aktualisiert am 23.05.2023 – 09:23 UhrLesedauer: 4 Min.
Ist Bachmut nun vollständig von Russen eingenommen oder nicht? Womöglich ist das gar nicht die entscheidende Frage. Denn die Ukraine könnte eine Kriegslist anwenden.
Der Kampf um die ostukrainische Stadt Bachmut geht auch nach der angeblichen Eroberung durch russische Truppen weiter. Acht Monate dauern die Kämpfe um den Ort inzwischen an. Nun soll die ehemals 70.000 Einwohner zählende Stadt laut des Gründers der Söldnertruppe Wagner vollständig eingenommen worden sein. “Heute gegen 12 Uhr mittags wurde Bachmut vollständig eingenommen”, hatte Jewgeni Prigoschin am Samstag verkündet.
Später gab auch das reguläre Militär die Eroberung bekannt. Russlands Präsident Wladimir Putin kündigte die Verteilung von Orden an. Doch scheint sich die Lage nicht ganz so eindeutig darzustellen, wie es Russland behauptet. Denn das ukrainische Militär hält nach wie vor an der Verteidigung der Stadt fest. “Unsere Soldaten halten Befestigungsanlagen und einige Räumlichkeiten im Südwesten der Stadt”, sagte der Sprecher der Heeresgruppe Ost, Serhij Tscherewatyj, am Sonntag im ukrainischen Fernsehen. Er räumte allerdings ein, dass die Lage kritisch sei und es schwere Kämpfe gebe.
Auch Präsident Wolodymyr Selenskyj widersprach der Behauptung Moskaus, Bachmut sei vollständig erobert. “Bachmut ist heute nicht von Russland besetzt worden”, sagte er am Sonntag beim G7-Gipfel in Hiroshima. “Ab sofort kontrollieren unsere Verteidiger einige Industrie- und Infrastruktureinrichtungen in der Gegend und den privaten Sektor”, sagte die ukrainische Vizeverteidigungsministerin Hanna Maliar.
Kann überraschende Taktik die Wende bringen?
Was aber können die ukrainischen Truppen in den wenigen Randbezirken der Stadt noch ausrichten? Was ist ihre Taktik? Haben die Ukrainer die Russen womöglich in eine Falle gelockt – droht den russischen Truppen jetzt gar die Einkesselung?
Darüber wird unter Militärstrategen eifrig diskutiert. Manche halten den ukrainischen Kampf um Bachmut ohnehin für eine überflüssige Verschwendung von Mensch und Material. Zumal die Stadt als militärstrategisch wenig bedeutsam gilt, lediglich ihr symbolischer Wert ist inzwischen unumstritten.
Wie das Institute for the Study of War (ISW) in einem aktuellen Lagebericht mitteilt, würde die Einnahme Bachmut andererseits auch für das russische Militär “keine signifikanten Geländegewinne bedeuten: Russland könne von dort also keine eigenen Offensivoperationen fortführen oder aber eine ukrainische Gegenoffensive verhindern.”
“Wir haben keine einfachen Fragen mehr, genauso wenig haben wir keine einfachen Antworten”, sagte Selenskyj am Rande des G7-Gipfels zur Frage, ob die Ukraine ihre Soldaten bei Bachmut verheize. Und mit Blick auf den Kremlherrscher fügte er an: “Weil wir einen ziemlich schwierigen Nachbarn haben, der ein Krimineller, ja sogar ein Terrorist ist. Ein ziemlich schwieriger Feind.”
“An einigen Teilstücken 200 Meter vorgerückt”
Wie man diesem “schwierigen Feind” begegnet, darauf gab der ukrainische Präsident zumindest einen Hinweis: “mit Cleverness”. Cleverness haben die ukrainischen Streitkräfte in diesem nunmehr 15 Monate dauernden Krieg schon vielfach unter Beweis gestellt. Dass sie es auch in Bachmut mit einer ungewöhnlichen Taktik versuchen könnten, liegt also nah.
Diese Taktik könnte jene der Einkesselung sein. So teilte die ukrainische Vizeverteidigungsministerin Maljar mit, dass den ukrainischen Truppen an den Flanken weitere Vorstöße gelungen seien. Das Militär habe mehrere Höhenzüge eingenommen, was es den Russen schwer mache, in Bachmut zu bleiben. Auf den Hügeln haben die Ukrainer eine strategisch wichtige Position, da sie von dort das Gelände leichter überwachen und russische Stellungen identifizieren können.