“Russland wird frei sein” – Was steckt hinter dem Angriff auf die russische Grenzregion Belgorod?

Mutmaßliche russische Rebellen haben mehrere Orte in der russischen Grenzregion Belgorod erobert. Die Kämpfe dauern an, es gibt mehrere Tote. Wer steckt dahinter?

Das Wichtigste im Überblick


In der russischen Grenzregion Belgorod herrscht seit Montagmorgen Ausnahmezustand. Zu Angriffen auf mehrere Orte bekannten sich zwei aus russischen Staatsbürgern bestehende Milizen, die im Ukraine-Krieg auf der Seite Kiews kämpfen. Die Legion “Freiheit Russlands” (LFR) und das russische Freiwilligenkorps RDK gaben an, die Kleinstadt Graiworon und weitere Orte in Belgorod erobert zu haben. Die Anti-Kreml-Milizen hatten ihren Angriff offenbar von ukrainischem Gebiet aus gestartet und zunächst einen russischen Grenzposten mit gepanzerten Fahrzeugen überfallen.

Auch am Dienstag dauerten die Kämpfe an: Nach russischen Angaben kam es zu Artillerie- und Mörserangriffen von ukrainischem Boden aus. Am Nachmittag gab es unterschiedliche Berichte über die aktuelle Lage. Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, die Armee habe die gegnerischen Kämpfer zurückgedrängt und “eliminiert”. Die “nationalistischen Gruppierungen” seien bei einem “Anti-Terror-Einsatz” “aufgehalten und zerstört” worden. Die Armee ging dabei den Angaben zufolge mit Luftangriffen und Artilleriefeuer vor. Mindestens 70 Angreifer seien getötet worden.

Dem setzten die LFR- und RDK-Kämpfer laut “Kyiv Post” jedoch entgegen, sie befänden sich immer noch in der Region. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen.

Angespannte Lage

Laut dem Gouverneur der Region, Wjatscheslaw Gladkow, waren bis Dienstagmorgen acht Zivilisten verletzt worden, russische Medien sprachen zudem von zwei toten russischen Soldaten. Der für den Grenzschutz zuständige Inlandsgeheimdienst FSB und die Nationalgarde seien im Einsatz. Die Lage sei angespannt, so Gladkow.

Im Dorf Samostje sei am Montag eine Granate in einen Kindergarten eingeschlagen, in einer Stadt sei die örtliche Verwaltung getroffen worden, berichtete der Gouverneur. Zudem habe die russische Luftabwehr eine Drohne abgeschossen. Auch diese Informationen ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Die Region Belgorod grenzt an die Ukraine, ihre gleichnamige Hauptstadt liegt nur etwa 72 Kilometer Luftlinie von der ukrainischen Stadt Charkiw entfernt. Die Region ist seit Beginn des Krieges immer wieder Ziel von Angriffen.

Wer sind die LFR und die RDK?

Die Legion “Freiheit Russlands”, kurz LFR, hat sich zu Beginn der russischen Invasion in der Ukraine gegründet und steht Kremlchef Wladimir Putin und seinem Angriffskrieg nach eigenen Angaben extrem kritisch gegenüber. Sie besteht aus Russen, die aufseiten der Ukraine kämpfen, und soll laut eigener Aussage Unterstützung vom ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU erhalten. Berichten der “Moscow Times” zufolge ist die LFR Teil der Internationalen Legion der ukrainischen Streitkräfte, die freiwillige Kämpfer aus dem Ausland bündelt.

In einem Manifest haben die LFR-Soldaten ihre Ziele erläutert: “Wir kämpfen gegen das diktatorische Regime von Wladimir Putin, gegen die Verletzung demokratischer Werte, die totale Korruption, die Verletzung der Menschenrechte und das Fehlen der Redefreiheit”.

Nach Angriff auf Belgorod: So begründen die russischen Freiwilligen ihre Tat. (Quelle: t-online)

Der Sprecher der Legion mit dem Decknamen “Caesar” sagte im Januar in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP, die Legion bestehe aus “mehreren Hundert” Russen. Einige Mitglieder kämpfen angeblich in der ostukrainischen Stadt Bachmut. Viele sollen ehemalige russische Gefangene sein. Wie viele Soldaten genau der Organisation angehören, ist unklar.

In einem aktuellen Interview mit dem ukrainischen Fernsehen sagte “Caesar”, die Legion sei von den Bewohnern Belgorods in einem Brief gebeten worden, eine “friedensbewahrende Mission” zu starten, um das Gebiet zu demilitarisieren – ein klarer Bezug zur Kreml-Erzählung am Vorabend der Invasion, als Putin angeblich auf Bitten ostukrainischer Separatisten in den Donbass einmarschierte.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein