Putins Lieblingssänger: Wie Shaman zum Star der Z-Szene wurde

Eine These des dänischen Kunsthistorikers Mikkel Bolt Rasmussen lautet, dass Putins Russland den faschistischen Traum mit Popkultur verbinde. Der moderne Faschismus beschränke sich nicht mehr nur auf politische Parteien und Institutionen, sondern zeige sich auch in der Volks- und Internetkultur. Parteien sind demnach nicht mehr notwendig, um Massenbewegungen zu schaffen. Ganze Bewegungen könnten mit einem Mausklick in den sozialen Medien losgetreten werden, so der Experte.

Musik und Kunst werden als Vehikel betrachtet, um die propagandistischen Narrative zielsicher in die Herzen und Köpfe der Menschen zu transportieren und alle Schichten der Gesellschaft zu durchdringen. In den sozialen Netzwerken verbreiten sich die professionell produzierten Musikvideos von Shaman wie Lauffeuer, werden geteilt und kommentiert.

Laut “dekoder.org” beschränkt sich die staatliche Infiltration in Russland, die Z-Propaganda, nicht mehr nur auf Musik und Straßenkunst, sondern hat auch andere Bereiche der Massenkultur in Russland erreicht. Neben Filmen, Rap und Stand-up-Comedy, die auf YouTube zu finden seien, werde TikTok genutzt, um junge Menschen mit Z-Propaganda zu versorgen. Der lateinische Buchstabe “Z” fungiert dabei als Symbol für die Unterstützung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.

Der Erfolg des sogenannten Z-Pops basiert auf Prinzipien, die auch Populisten in anderen Ländern nutzen, darunter einfache und hochemotionale Botschaften, Wiederholungen und die Verwendung sozialer Medien.

Viele russische Kulturschaffende haben das Land verlassen

Die Nutzung von Popkultur als Propagandamittel an sich ist in Russland nichts Neues: Schon in der Vergangenheit veröffentlichten russische Musikstars Lieder, die Präsident Wladimir Putin zunächst als Kriegshelden und später als Beschützer Russlands darstellten. So wurde Popkultur bereits in den 2000er-Jahren während des Tschetschenienkriegs als Propagandamittel genutzt. Damals konzentrierte sich Musik und Kunst auf die Schaffung eines Personenkults um Putin. Als Russland ab 2014 Krieg in der Ostukraine führte, änderte sich auch das Narrativ. So wurde der Kremlherrscher in “Moi Putin” (deutsch: “Mein Putin”) schon 2015 von der Sängerin Mashani als Retter der Ukraine besungen. “Du forderst die Welt heraus und gibst die Krim zurück”, singt sie darin. Seitdem Putin die ukrainische Halbinsel annektiert hat, erhebt Russland den Anspruch: “Die Krim gehört zu uns.”

In dem Maße, in dem der Kreml seit Beginn des Großangriffs auf die Ukraine im Februar 2022 versucht, die Institutionen des Landes so umzugestalten, dass sie mit der imperialen Weltanschauung Putins übereinstimmen, haben sich auch Kulturschaffende in Russland für eine Seite entschieden. Viele mussten aufgrund des politischen Drucks das Land verlassen. Andere haben sich gegen den Krieg ausgesprochen, nur um dann festzustellen, dass ihre Konzerte oder Ausstellungen abgesagt wurden. Darunter sind Musiker, Theaterregisseure, Schauspieler und andere Künstler.

Shaman dagegen hat sich entschieden, als Kriegsbefürworter aufzutreten und ist so über Nacht zum Shootingstar geworden. “Shaman ist aus kultureller und soziologischer Sicht ein sehr interessantes Phänomen, aber ich glaube nicht, dass er ein Einzelphänomen ist. Er ist die Fortsetzung einer langjährigen Entwicklung der russischen Subkultur, einer nationalistischen und parafaschistischen”, sagte Ilja Kukulin, Kulturhistoriker und ehemals an der Moskauer Nationalen Forschungsuniversität Higher School of Economics tätig, der “New York Times”.

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