“Putin ist das größte Hindernis” – USA führen wohl Geheimgespräche mit Moskau über Ukraine-Krieg

Während Kiew und Moskau die Entscheidung auf dem Schlachtfeld suchen, führen die USA offenbar Geheimgespräche mit dem Kreml. Ein US-Insider soll brisante Details enthüllt haben.

Die Kämpfe in der Ukraine dauern auch an Tag 520 des russischen Angriffskriegs an. Die lange geplante Offensive der ukrainischen Streitkräfte läuft seit Wochen eher schleppend und entwickelt sich an mehreren Frontabschnitten zu einer Art Abnutzungskrieg.

Noch steht das Militärische im Vordergrund der Auseinandersetzung, an Verhandlungen scheint derzeit niemand interessiert: Sowohl der russische Aggressor als auch die ukrainischen Verteidiger setzen allein auf die Dynamik auf dem Schlachtfeld, um politische Vorteile zu erzwingen. Doch wie lange noch?

Wie die “Moscow Times” nun berichtet, geht man in Washington bereits andere Wege. Ein ehemaliger US-Beamter bestätigt der unabhängigen russischen Zeitung, deren Sitz in Amsterdam liegt, dass es diplomatische Gespräche zwischen ehemaligen hochrangigen US-Beamten und Kreml-Mitarbeitern gebe.

Mindestens zweimal im Monat fänden die Gespräche zwischen amerikanischer und russischer Seite statt, oft auch online, so der Ex-Regierungsbeamte zur “Moscow Times”. Er sei selbst daran beteiligt: “Ich besuche Moskau mindestens alle drei Monate.”

Russische Eliten nannten den Krieg einen “kompletten Fehler”

Die Treffen hätten der US-Seite ermöglicht, besser zu verstehen, was die russische Führung im Sinn habe – zumindest ein wenig: “Wir haben etwas Einblick in das Denken des Kreml erhalten, aber nicht so viel, wie wir es uns gewünscht hätten”, so der ehemalige Beamte. Aus seiner Sicht ist das größte Problem, dass die Russen nicht in der Lage seien zu formulieren, was genau sie wollten und bräuchten.

“Sie wissen nicht, wie sie Sieg oder Niederlage definieren sollen. Tatsächlich haben einige der Eliten, mit denen wir sprachen, den Krieg von Anfang an nie gewollt und sogar gesagt, dass er ein kompletter Fehler gewesen sei”, so der Ex-US-Beamte zur “Moscow Times”. Doch nun befände sich das Land in einem Krieg – eine demütigende Niederlage sei für seine russischen Gesprächspartner “keine Option”.

Deutlich klarer scheint die Position der russischen Gesprächspartner allerdings in Bezug auf die von Moskau kontrollierte Halbinsel Krim zu sein: “Wenn Russland denken würde, es könnte die Krim verlieren, würde es mit ziemlicher Sicherheit auf den Einsatz taktischer Atomwaffen zurückgreifen”, so der ehemalige Regierungsbeamte zur “Moscow Times”.

Russische Stärke – “keine schlechte Sache” für die USA

Die Äußerungen des ehemaligen US-Beamten sind auch aufschlussreich hinsichtlich geostrategischer US-Interessen im Ukraine-Krieg sowie in Zentralasien. So sagte der Insider zur “Moscow Times”, dass man den Russen auch vermittelt habe, dass “die USA bereit wären, konstruktiv mit den nationalen Sicherheitsinteressen Russlands umzugehen”.

Die US-Seite habe in den Gesprächen betont, dass Washington ein Russland brauche, “das stark genug ist, um an seiner Peripherie Stabilität zu schaffen”. Die USA wollten ein Russland “mit strategischer Autonomie”, damit Washington seine diplomatischen Interessen in Zentralasien verfolgen könne. “Russische Stärke ist nicht unbedingt eine schlechte Sache”, so der frühere US-Beamte. Ein “totaler Sieg in Europa”, also im Krieg gegen die Ukraine, würde US-Interessen in diesem Teil der Welt hingegen schaden.

US-Regierung dementiert Bericht

Ob die Äußerungen des ehemaligen Beamten zur “Moscow Times” die inoffizielle US-Regierungslinie wiedergeben, ist unklar. Tatsächlich sind sie genau entgegengesetzt zum offiziellen Kurs der Biden-Regierung: Diese verfolgt mit umfassenden Waffenlieferungen für die Ukraine das Ziel, Russland zu schwächen und sein Aggressionspotenzial zu mindern.

Nach Veröffentlichung des “Moscow Times”-Berichtes ließ das Dementi aus dem Weißen Haus nicht lange auf sich warten. Die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, Adrienne Watson, bestritt, dass die USA aktuelle oder ehemalige Beamte aufgefordert habe, einen geheimen Gesprächskanal zum Kreml zu eröffnen. Man strebe auch keinen solchen Kanal an. “Wir geben auch keine Botschaften über andere weiter”, twitterte Watson am Donnerstag. “Wenn wir sagen ‘keine Gespräche ohne die Ukraine’, dann meinen wir das auch so”, betonte sie.

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