Heizungstausch: Die FDP setzt auf Wasserstoff – warum das ein Fehler ist

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

es mag für Sie vielleicht absurd klingen, aber wenn ich rauchende Schlote sehe, bekomme ich Heimatgefühle. Ich wuchs nur wenige Hundert Meter von einem Kraftwerk entfernt auf, drei qualmende Kühltürme waren die Kulisse meiner Kindheit. Immer wenn ich sie am Horizont aufragen sah, wusste ich: Bald bin ich zu Hause.

Vielleicht geht es einigen Menschen, die im Duisburger Norden leben, ähnlich. Dort steht das größte Stahlwerk Europas, die Hütte Schwelgern von Thyssenkrupp Steel. Mehr als 100 Meter reckt sich der “Schwarze Riese” in den Himmel über dem Stadtteil Bruckhausen. Er ist bis heute einer der größten Hochöfen der Welt – aber: ein Auslaufmodell.

Denn der Konzern rüstet um. Vier Hochöfen sollen im laufenden Betrieb durch sogenannte Direktreduktionsanlagen ersetzt werden. Statt aus Kohle und Koks will Thyssenkrupp bis 2045 Stahl aus grünem Wasserstoff gewinnen. So soll der CO2-Ausstoß fast auf null sinken. Wie diese monströse Aufgabe gelingen könnte, lässt sich heute der Bundespräsident erklären. Frank-Walter Steinmeier besucht das Werk in Duisburg und dürfte dort vor allem eines zu hören bekommen: Dass alles damit steht und fällt, den Wasserstoff heranzuschaffen.

Blick auf die Hochöfen Schwelgern 1 (rechts), auch “schwarzer Riese” genannt, und 2: Das Stahlwerk in Duisburg-Bruckhausen ist eine Stadt in der Stadt – mit eigenem Hafen, Straßen- und Schienennetz. (Quelle: Jochen Tack/imago images)

Bis es so weit ist, kann Thyssenkrupp die neuen Anlagen übergangsweise mit Erdgas betreiben. Ein Modell, das Ihnen, liebe Leser, bekannt vorkommen dürfte. Denn es soll nicht nur in der Industrie, sondern auch in den Kellern der Deutschen zum Einsatz kommen. Zumindest hofft das die FDP und hat deshalb Ausnahmeregeln für Wasserstoff ins Heizungsgesetz geschrieben. Technologieoffenheit nennt die Partei das gern, Sie wissen schon. Dabei ist höchst unsicher, ob es den Energieträger überhaupt für jeden privaten Haushalt geben wird.

Der Expertenrat der Bundesregierung für Klimafragen etwa bezweifelt das. Statt den raren und teuren Wasserstoff in Gebäuden zu verheizen, solle man lieber Industrieunternehmen den Vorzug geben – so wie Thyssenkrupp Steel eben. Auch Verbraucherschützer warnen vor einem Einbau sogenannter H2-ready-Heizungen. Denn: Reicht das Wasserstoffnetz nicht bald bis in die Wohngebiete, hängen Verbraucher weiter am Erdgas. Und das wird richtig teuer. Nicht nur wegen der steigenden CO2-Abgabe, sondern auch, weil die Netzgebühren auf immer weniger Kunden umgelegt werden. Denn wer sich heute eine Wärmepumpe montieren lässt, zahlt nicht mehr für den Gasanschluss.

Luft-Wärmepumpe in einem Heizungskeller: Sie holt sich die Wärme aus der Außenluft und erwärmt damit das Wasser in den Heizkörpern oder der Fußbodenheizung.
Luft-Wärmepumpe in einem Heizungskeller: Sie holt sich die Wärme aus der Außenluft und erwärmt damit das Wasser in den Heizkörpern oder der Fußbodenheizung. (Quelle: Silas Stein/dpa)

Und es gibt noch ein Problem mit der Wette auf Wasserstoff: Sie führt dazu, dass der heute schon nötige Klimaschutz verschleppt wird. Selbst wenn irgendwann doch Wasserstoff zu den Privathaushalten fließen sollte, hat der Gebäudesektor das CO2-Budget bis dahin unnötig stark verbraucht. Das gilt umso mehr, da der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs (DVGW) davon ausgeht, länger für die Umrüstung der Leitungsrohre zu brauchen, als es der Gesetzentwurf vorsieht. “Bis in die Vierzigerjahre” werde das dauern, sagte der DVGW-Vorstandsvorsitzende Gerald Linke kürzlich der “FAZ”. Also noch rund 20 Jahre.

Es wäre fahrlässig, so lange zu warten. Stattdessen sollte die Ampelkoalition schon jetzt dafür sorgen, dass Gasheizungen nur noch in Ausnahmefällen eingebaut werden. Dafür braucht es die richtigen Anreize – allen voran eine bessere sozial gestaffelte Förderung. Schließlich kostet der Einbau einer Wärmepumpe derzeit oft noch viermal so viel wie der einer Gasheizung.

Für den Staat wird das teuer, keine Frage. Und ja, der sparsame FDP-Finanzminister Christian Lindner dürfte mit den Zähnen knirschen. Doch er sollte sich überlegen, ob das Geld damit nicht deutlich besser investiert ist als in die Rettung der Gasnetzbetreiber. Schließlich kostet die Umrüstung der Leitungen auf Wasserstoff schätzungsweise rund sieben Milliarden Euro, ist also auch kein Schnäppchen. Und dazu womöglich noch ein echter Rohrkrepierer. Wenn der Rohstoff am Ende eben gar nicht fließt.

Boris Palmer zieht sich nach seinen umstrittenen Äußerungen zurück.
Boris Palmer zieht sich nach seinen umstrittenen Äußerungen zurück. (Quelle: Sebastian Gollnow/dpa)

Palmer tritt bei Grünen aus

Das Chaos geht weiter

Wenn der Mensch eines besonders gut kann, dann Dinge so lange wie möglich vor sich herzuschieben. Und so dürften in Bayerns Finanzämtern heute noch einmal besonders viele Grundsteuererklärungen eintrudeln.

Anders als in den restlichen Bundesländern hatten Eigentümer dort drei Monate länger Zeit, die Daten für die Grundsteuerreform weiterzureichen. Die war nötig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht die bisherige Berechnung der Steuer auf den Besitz von Grundstücken und Gebäuden für verfassungswidrig erklärt hatte. Doch selbst mit bayerischen Alleingängen ist irgendwann einmal Schluss. Was aber nicht bedeutet, dass mit der letzten Grundsteuerfrist heute auch das Chaos endet.

Viele Hausbesitzer legen Einspruch gegen die Bescheide zur Grundsteuer ein. Nun könnte sogar eine Klagewelle losrollen.
Viele Hausbesitzer legen Einspruch gegen die Bescheide zur Grundsteuer ein. Nun könnte sogar eine Klagewelle losrollen. (Quelle: Silas Stein/dpa)

Denn nach der Grundsteuererklärung ist vor den Grundsteuerbescheiden. Und gegen die sind bundesweit bereits Hunderttausende Einsprüche eingegangen. Viele weitere stehen noch aus, weil die Finanzämter mit den Bescheiden nur schwer hinterherkommen. Die Einsprüche selbst werden derzeit kaum bearbeitet. Gleichzeitig strebt der Bund der Steuerzahler (BdSt) eine Verfassungsklage gegen das Bundesmodell an. Das gilt in allen Ländern außer in Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Niedersachsen. In Baden-Württemberg geht der BdSt bereits gegen das dortige Grundsteuergesetz vor, da er auch dieses für verfassungswidrig hält.

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