Wie kann in Deutschland Klimaschutz vorangehen, ohne dass sich die Bürger dabei abgehängt fühlen? Ein Gespräch mit dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff.
Reiner Haseloff trägt zwei Uhren. Eine Smartwatch am rechten Handgelenk, die immer wieder aufleuchtet, wenn er elektronische Nachrichten bekommt. Und eine analoge Armbanduhr am linken Handgelenk. Haseloff sagt, er finde es unhöflich, sich von den vielen Nachrichten im Gespräch ablenken zu lassen, deshalb geht sein Blick höchstens zum linken Handgelenk, während er spricht.
Embed
Seit 2011 ist er Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, der dienstälteste Landesregierungschef in Deutschland. Er nimmt sich Zeit für das Interview – weil er einige Dinge aus seiner Sicht einmal grundsätzlich erklären will. Ein Gespräch über deutsche Wirtschaftspolitik, Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland und die Frage, warum er gegen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist.
t-online: Herr Haseloff, wie heizen Sie zu Hause?
Reiner Haseloff: Mit Gas. Noch.
Aber das ändert sich bald?
Ja. Ich wohne in einem Reihenhaus, das nach DDR-Standard gebaut wurde, da bin ich erst mal noch auf die alten Systeme angewiesen. Aber ich habe mir vor einem Jahr eine Wärmepumpe bestellt.
Na, jetzt warte ich. Im Moment weiß ich noch immer nicht, wann meine Wärmepumpe geliefert wird. Da geht es einem Ministerpräsidenten nicht anders als vielen Deutschen im Moment.
Die Ampelregierung in Berlin will, dass die Menschen nachhaltiger heizen – künftig sollen Öl- und Gasheizungen ein Auslaufmodell sein.
Also: Richtig ist, dass unser Energiebedarf in Deutschland nur zu 20 Prozent über Strom gedeckt wird. Und ja, für die Wärmeversorgung muss viel mehr Energie aufgewendet werden, etwa 40 Prozent des Gesamtbedarfs. Bei den Verbrauchern umzusteuern, ist also grundsätzlich richtig. Trotzdem ist die Art, wie die Bundesregierung die Sache angeht, nicht überzeugend.
Der Plan für die Heizungswende war von Anfang an mit Problemen behaftet. Es musste ja auch permanent nachgearbeitet werden. Für viele Menschen sind die damit verbundenen Lasten kaum zu bewältigen. Zudem entstand nach den Recherchen der Medien der Eindruck, dass im Bundeswirtschaftsministerium – freundlich ausgedrückt – systematisch Lobbyarbeit der erneuerbaren Energiebranche geleistet worden sein soll.
Sie könnten ja trotzdem davon profitieren: Wenn fossile Energien beim Heizen und in der Mobilität durch Strom ersetzt werden, ist doch der grüne Strom aus Ihrem Bundesland sehr gefragt.
Die Bundesregierung müsste stärker die Rahmenbedingungen verbessern und die Menschen besser mitnehmen. Also signalisieren, dass es sich lohnt, grünen Strom zu erzeugen. Die Menschen müssen erkennen können, dass Klimaschutzmaßnahmen, dass neue Gesetze und Vorschriften, logisch aufeinander aufbauen und ineinander greifen.
Das tun sie aber Ihrer Meinung nach nicht?
Nein. Dafür müssten die entsprechenden rechtlichen Rahmen besser gesetzt werden. Stattdessen gilt ja weiterhin: Wer in Deutschland grüne Energie erzeugt, wird vom Staat benachteiligt. Wer grünen Strom erzeugt, hat automatisch einen hohen Strompreis.
Wir haben rund 3.000 Windräder in Sachsen-Anhalt und es werden immer mehr. Damit sind wir pro Einwohner unter den Top 3 der Erzeugung erneuerbarer Energie. Jedes dieser Windräder hat einen dezentralen Einspeisepunkt. Das führt zu hohen Netznutzungsentgelten, was sich wiederum auf den Strompreis auswirkt, den wir entrichten müssen, und zwar dort, wo der grüne Strom eingespeist wird.
Der Preis könnten noch steigen. Denn gerade sind die letzten Atomkraftwerke vom Netz gegangen.
Ja. Und wir liefern unseren überschüssigen Strom in den Süden Deutschlands. Das heißt im Klartext: Bei uns wird weiterhin die Erde aufgebuddelt, hier stehen überall die riesigen Spargel.