Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,
haben Sie schon vom “Bündnis Deutschland” gehört? Der Partei ist gerade ein echter Coup gelungen: Sie kooperierte bei der Landtagswahl in Bremen mit den “Bürgern in Wut” – zusammen fuhren sie am Sonntag 9,5 Prozent ein.
Während angesichts des überraschenden Erfolgs viel über die Bürger in Wut gesprochen wird, steht das “Bündnis Deutschland” kaum im Fokus. Dabei ist die Partei mit Blick auf die Bundespolitik das interessantere Phänomen. Denn gemeinsam mit Kräften wie den “Bürgern in Wut” will das “Bündnis Deutschland” nicht nur auf lokaler Ebene, sondern bundesweit bei Wahlen antreten. Das Ziel: der AfD ernsthafte Konkurrenz machen – und auch der Union Wähler abluchsen.
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In Bremen kam der Partei entgegen, dass die AfD sich vorab zerstritten hatte und wegen einer fehlenden gemeinsamen Liste gar nicht erst zur Wahl antreten durfte. Doch es stellt sich die Frage: Ging im Norden ein neuer Stern an Deutschlands Populistenhimmel auf?
Die Strategie zumindest, die die Partei verfolgt, ist klug und hat sich in Bremen nun bewährt: Das “Bündnis Deutschland” nämlich sucht nach Kooperationspartnern, die lokal bereits etabliert sind, gibt Geld und Unterstützung – und steigt dafür mit eigenem Personal ein.
Anstatt Ortsgruppen zu gründen, vor Supermärkten Wähler anzusprechen, also sehr viel Kraft und Zeit zu investieren, sattelt das “Bündnis Deutschland” auf die Erfolge anderer Parteien und Initiativen auf. Es nutzt die Kraft der Symbiose, wie es in der Natur Pilze und Bäume, Raben und Wölfe, Putzerfische und Meerbarben tun – hilfst du mir, dann helfe ich dir.
Das ist keine Strategie für Anfänger. Man muss sich in Landesverbänden und Ortsgruppen auskennen, man muss Kontakte haben, man braucht Geld, um potenzielle Partner zu locken. Zumindest an der Vernetzung im rechten Spektrum hapert es beim “Bündnis Deutschland” schon mal nicht – die meisten ihrer Funktionäre waren vorher bei Parteien wie den Freien Wählern, der CDU, CSU oder der AfD.
Die Stimmung in der Partei ist angesichts des Bremer Erfolgs prächtig. “Das war ein sehr gelungenes Modell”, sagt Generalsekretär Niklas Stadelmann t-online am Montag nach der Bremen-Wahl. Er bestätigt, dass man auch bei kommenden Landtagswahlen – 2023 wählen Bayern und Hessen, 2024 Thüringen, Sachsen und Brandenburg – ähnlich vorgehen will. “Wir sind auf der Suche nach Partnern mit Blick auf weitere Landtagswahlen.” In die Karten schauen lässt man sich dabei nicht. Mit welchen Gruppierungen, Parteien oder Initiativen derzeit Gespräche laufen, will Stadelmann nicht sagen.
Klar ist aber schon jetzt: Die AfD bekommt Konkurrenz. Und das womöglich nicht nur vom “Bündnis Deutschland”. Im Raum steht nach wie vor die Gründung einer neuen Partei durch Sahra Wagenknecht. Die Linken-Ikone will nicht zuletzt Wähler von der AfD zurückgewinnen – und fährt einen Kurs, der sich mit vielen politischen Protestströmungen gut vereinen lässt. Hauptsache dagegen!
Vor Wagenknecht fürchten sich manch Weitsichtige bei der AfD schon seit Monaten. Und das mit Recht. Besonders im Osten, wo die AfD die Umfragen anführt, ist Wagenknecht mit ihrem Anti-Kriegs-Kurs sehr beliebt und könnte den Rechtspopulisten Wähler abjagen.
Im Hintergrund läuft auch hier schon die Vernetzung, werden Unterstützer gesucht, wird abgewogen und diskutiert. Wagenknechts größte Sorge ist dabei: Auf keinen Fall wolle sie ihre politische Karriere “mit einem Flop” beenden, wie sie es sagt. Wenn sie ins Rennen geht, dann also richtig. Und dann auch noch in diesem Jahr, wie sie selbst ankündigt. Rechtzeitig für die Landtagswahlen im Osten.
Die AfD muss sich schon jetzt an den Gedanken gewöhnen: Neue Populisten sind auf dem Vormarsch. Und im Gegensatz zu bisherigen Neugründungen in dem Bereich sind sie politisch erfahren, teils prominent besetzt und folgen einer Strategie. Den Platzhirschen AfD könnte das den Einfluss, zumindest aber einige Prozente kosten.
Starker Minister, schwaches Heer
Seitdem Boris Pistorius (SPD) das Amt als Verteidigungsminister angetreten hat, wird er von einer Welle der Sympathie getragen. Rund 30 Prozent der Befragten gaben in einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos an, dass sie “sehr zufrieden” mit seiner Arbeit sind (auf Platz 2: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne)). Werte, von denen Pistorius‘ Vorgängerin nur träumen konnte. Sein Job aber ist hart, die Truppe völlig ausgezehrt. Morgen absolviert Pistorius seinen Antrittsbesuch beim Heer und spricht mit Soldaten, die zu den sogenannten “Leichten Kräften” gehören. Also jenen, die als Erstes ausrücken, wenn es ernst wird. Ob ihm da auch die Herzen zufliegen werden?
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Außenministerin Baerbock besucht die Golf-Staaten Saudi-Arabien und Katar. Dabei dürften die Krisen im Sudan und im Jemen sowie Klima- und Energiethemen im Mittelpunkt stehen. Interessant wird sein, wie Baerbock dieses Mal ihre feministische Außenpolitik transportiert – in den Ländern haben Frauen nicht dieselben Rechte wie Männer, Minderheiten werden diskriminiert.