Ihr Besuch wurde aus Sicherheitsgründen geheim gehalten: Außenministerin Annalena Baerbock hat das ostukrainische Charkiw besucht, wie Aufnahmen zeigen.
Außenministerin Annalena Baerbock hat als erstes deutsches Kabinettsmitglied seit Beginn des russischen Angriffskriegs die Ostukraine besucht. Die Grünen-Politikerin machte sich am Dienstag in der lange umkämpften Stadt Charkiw ein Bild von der Situation der Menschen dort. “Charkiw – belagert, zerschossen, befreit”, sagte Baerbock bei ihrer Ankunft. “Diese Stadt ist Sinnbild für den absoluten Irrsinn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.”
Baerbock wurde bei dem aus Sicherheitsgründen zunächst geheim gehaltenen Besuch vom ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba und dem ukrainischen Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, begleitet. Sie ist als erstes deutsches Kabinettsmitglied seit Beginn des russischen Angriffskriegs in die Ostukraine und das lange umkämpfte Charkiw gereist. Die nur gut 20 Kilometer von der Grenze zu Russland entfernte Millionenstadt war auch in jüngster Zeit russischen Angriffen ausgesetzt.
Baerbock in der Nacht mit Sonderzug unterwegs
Weil der Luftraum über der Ukraine nach wie vor gesperrt ist, fuhr Baerbock in der Nacht im Sonderzug von Polen aus zunächst in die Hauptstadt Kiew. Von dort aus nahm sie zusammen mit Kuleba und ihrer Delegation am Morgen um kurz nach 7.00 Uhr Ortszeit den regulären Intercity Express 722 nach Charkiw. Auf der Strecke verkehren moderne koreanische Züge, die von der Ukraine für die Fußball-Europameisterschaft 2012 angeschafft worden waren.
Baerbock besichtigte nach der Begrüßung durch Gouverneur Oleh Synjehubow und Bürgermeister Ihor Terechow am Bahnhof in Charkiw zunächst ein zerstörtes Umspannwerk. 15 Mal sei dieses schon angegriffen worden, erzählte ein Mitarbeiter. Die Infrastruktur für die Energieversorgung ist Hauptziel der seit Monaten laufenden russischen Raketenangriffe.
Powerbanks und Malstifte für verletzte und kranke Kinder
Im Kinderkrankenhaus Nr. 16 kam die Ministerin, selbst Mutter von zwei kleinen Mädchen, mit Patienten und deren Eltern zusammen. Als Geschenke brachte sie unter anderem Malstifte und Powerbanks mit – wegen der russischen Angriffe fällt oft der Strom aus. Eine Ärztin berichtete über die hohe Qualität der Behandlung, aber auch über Probleme. “Der Krieg greift auch die Seelen der Kinder an”, sagte sie. Hier lebten die mutigsten Menschen der Welt, entgegnete Baerbock. Das habe sie auch ihren Töchtern gesagt. Sie wolle der Welt zeigen, wie stark die Menschen von Charkiw und vor allem die Kinder seien, diesem Krieg zu trotzen.
Die Ministerin ließ sich auch den bei russischen Angriffen schwer beschädigten nordöstlichen Stadtteil Saltiwka zeigen. Angesichts der russischen Attacken auf die Infrastruktur besichtigte sie eine zerstörte Heizkesselanlage, besuchte den Wärmeraum einer Schule und sprach mit Mitarbeitenden eines Heizkraftwerkes. In Charkiw herrschen derzeit in der Nacht bis zu zweistellige Minustemperaturen.
Im Wärmeraum der Schule tauschte sich die Ministerin mit Lehrerinnen und Schülern einer bereits am 27. Februar zerstörten Schule aus. Die Schule gehört zu einer vom Auswärtigen Amt 2008 ins Leben gerufenen Initiative von 1.800 Partnerschulen mit einer besonderen Deutschlandbindung – sogenannten Pasch-Schulen.
Die Ukrainer zeigten Baerbock zudem die am zentralen Platz der Freiheit liegende Gebietsverwaltung von Charkiw, die am 1. März von russischen Raketen zerstört worden war. Dabei wurden in der zweitgrößten ukrainischen Stadt 29 Menschen getötet. Direkt nach dem Einmarsch in die Ukraine waren die Russen kurz in Außenbezirke der Stadt vorgedrungen.