Alte Heizungen, Schuldenbremse, Autobahnen: Es gibt wenig, worüber die Ampel nicht streitet. Auch am dritten Tag ziehen sich die Verhandlungen.
Die Spitzenpolitiker von SPD, Grünen und FDP haben ihre Gespräche im Koalitionsausschuss wieder aufgenommen. Dort suchen sie Kompromisse in diversen Streitfragen. Dem Vernehmen nach geht es vor allem um mehr Klimaschutz im Verkehrsbereich und um einen schnelleren Bau von Autobahnen.
Die Spitzen der Ampelkoalition hatten ihre Gespräche über eine Reihe von Streitthemen am Sonntagabend aufgenommen, sie am frühen Nachmittag des Montags aber unterbrochen, weil Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und mehrere Minister zu den deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen in Rotterdam reisen mussten. CDU, CSU, AfD und Linke werteten die Unterbrechung als Blamage und Armutszeugnis.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat der Ampelkoalition Handlungsunfähigkeit attestiert. “Wir haben ganz offensichtlich in Deutschland eine Regierungskrise”, sagte Merz am Dienstag vor einer Sitzung der CDU/CSU-Abgeordneten in Berlin. Die Bundesregierung könne sich in wesentlichen Fragen nicht mehr einigen. “Sie hat in den letzten Tagen und Wochen permanent öffentlich gestritten.”
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe “streckenweise wie ein Unbeteiligter am Spielfeldrand gestanden und so getan, als ob er mit der ganzen Sache nichts zu tun hat”, kritisierte Merz.
Merz stellt Fortbestand der Koalition infrage
Auf die Frage, welches Ergebnis er von den Verhandlungen des Koalitionsausschusses erwarte, antwortete der Oppositionsführer: “Nach so vielen Stunden ergebnisloser Beratungen kann man im Grunde genommen kaum noch mit tragfähigen und belastbaren Lösungen rechnen.” Er könne sich “kaum vorstellen, dass es noch eine ausreichend sichere Grundlage für den Fortbestand dieser Koalition gibt”. Merz ergänzte: “Wir werden wahrscheinlich Formelkompromisse hören und wir werden sehen, dass die Streitereien in dieser Koalition danach unverändert weitergehen.”
Scholz begründete die Verschiebung mit der Komplexität der zu lösenden Aufgaben. Es gehe um die Modernisierung Deutschlands. “Wir wollen sehr klare, konkrete Festlegungen treffen, die es möglich machen, dass wir das notwendige Tempo erreichen”, erklärte er in Rotterdam. Er verwies auf den Ausbau der erneuerbaren Energien, der Stromnetze und der Verkehrsinfrastruktur.
Scharfe Kritik von Union und Linken
Nach der Ankunft in der niederländischen Stadt hatte Scholz gesagt, man habe “sehr, sehr gute Fortschritte erzielt”. Die Konsultationen in Rotterdam nannte der Bundeskanzler “eine nette Zwischenzeit, die wir jetzt hier bei unseren Freunden in den Niederlanden haben”.
Die Spitzen des Bündnisses wollten im Kanzleramt eine lange Liste von Streitpunkten abarbeiten. Als größtes Konfliktthema deutete sich vorab der Klimaschutz im Verkehr an – denn hier muss die Bundesregierung eine Trendwende schaffen. Laut Umweltbundesamt stiegen die Treibhausgasemissionen in diesem Bereich zuletzt, anstatt zu sinken, wie es eigentlich nötig wäre.
Vor allem die Grünen verlangen von Verkehrsminister Volker Wissing mehr Anstrengung. Dessen FDP lehnt ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen und eine Reform der Dienstwagenbesteuerung jedoch strikt ab.
Auch bei anderen Fragen war der Ton in der Koalition zuletzt rau geworden:
Austausch von Öl- und Gasheizungen
Die Grundidee ist in der Koalition eigentlich längst vereinbart: Ab 2024 sollen möglichst nur noch solche Heizungen neu eingebaut werden, die zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. De facto bedeutet das ein Aus für konventionelle Öl- und Gasheizungen.
Habeck goss dieses Vorhaben in einen umstrittenen Gesetzentwurf. SPD und FDP betonen beide, Hausbesitzer und Mieter dürften nicht überfordert werden. Auf der Suche nach einem Kompromiss war die Ampel offenbar schon vor dem Spitzentreffen vorangekommen – ohne dass bisher Details durchsickerten.