Vor zehn Jahren gründeten 18 Männer die AfD und mischten damit die deutsche Parteienlandschaft auf. Wie sehen sie die Partei heute?
“Teilweise skeptisch, teilweise enthusiastisch” – so beschreibt Konrad Adam die Stimmung am 6. Februar 2013 in einem Gemeindesaal im hessischen Oberursel. Es ist der Tag, an dem 18 Männer, darunter Adam, in einem geheimen Treffen die “Alternative für Deutschland” gründen.
Auch andere Teilnehmer berichten t-online von gemischten Gefühlen: Man hat schließlich wenig Erfahrung im politischen Betrieb, man hat kaum Geld für den Parteiaufbau, man will vor allem auf ein Thema setzen: die Kritik an der Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung.
Die Sorgen aber sind unnötig, die “Alternative für Deutschland” schlägt ein wie eine Bombe. Schon sieben Monate nach ihrer Gründung in Oberursel verpasst sie mit 4,7 Prozent nur knapp den Einzug in den Bundestag. 2017 gelingt ihr der Sprung dann mit rund 12 Prozent Zustimmung. Die junge Partei wird damit dritte Kraft, sie lässt die FDP, die Linke und die Grünen hinter sich. Von 2018 an ist die AfD dann erstmals auch in allen Landesparlamenten vertreten.
Damit wird die AfD zur erfolgreichsten deutschen Parteineugründung der vergangenen Jahrzehnte. Schnell wird sie aber auch zur umstrittensten Partei: Nicht nur ihre Kritiker sehen in ihr eine Gefahr für die Demokratie, sondern auch die Sicherheitsbehörden. Inzwischen steht die gesamte Partei unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.
Warum gelang der AfD der rasante Aufstieg? Wie entwickelte sich die angebliche “Professoren-Partei” so schnell zu einer Partei, die als Auffangbecken für Antidemokraten gilt? Und wie blicken die Männer, die sie gegründet haben, heute auf ihr Werk?
“Mit dieser Partei habe ich nichts mehr zu tun”
Von den 18 Gründungsvätern in Oberursel sind inzwischen fast alle aus der Partei ausgetreten. t-online hat mehrere von ihnen kontaktiert, aber kaum einer wollte sprechen. “Mit dieser Partei habe ich nichts mehr zu tun”, schreibt einer. Andere wollen nur im Hintergrund reden, auf keinen Fall namentlich zitiert werden.
Konrad Adam tickt da anders. Der heute 80-Jährige gibt gern Auskunft über die Anfänge der AfD, er scheut die Konfrontation nicht. Er sitzt bei dem Telefonat an seinem Schreibtisch in einem Büro in Oberursel, nicht weit von dem Ort entfernt, an dem die AfD geboren wurde. Adam hatte damals den Saal organisiert.
Adam war früher ein erfolgreicher Journalist, der für die “Welt” und die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” schrieb. Einst war er auch Mitglied der CDU, wie einige der frühen Mitglieder. Kurz nach der Gründung der AfD 2013 war er neben Bernd Lucke und Frauke Petry einer von drei AfD-Bundessprechern und blieb es bis 2015. “Bundessprecher” nennt die Partei, die so vieles anders machen will, ihre Parteivorsitzenden.
Wie also konnte es zum raschen Aufstieg der AfD kommen, Herr Adam?
“Den Hauptverdienst am Erfolg der AfD hat zweifellos Frau Merkel mit ihrer törichten Behauptung, zu der Euro-Rettungspolitik der Bundesrepublik gebe es keine Alternative”, sagt Adam t-online.
Gegen Merkels Alternativlosigkeit
Merkel bedient sich nicht nur in der Eurokrise des rhetorischen Kniffs, ihre politischen Entscheidungen als alternativlos darzustellen: der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, die Corona-Politik – zwingend notwendig, wenn man der Kanzlerin glaubt. Adam findet das absurd. Es gebe immer eine Alternative, so sieht er es, so sehen es die Gründungsväter der AfD.
Mit der Eurokrise hat die AfD in der Anfangszeit ein Thema, das viele Menschen berührt, das an ihre größten Sorgen anknüpft. “Die Leute hatten Angst um ihr Vermögen, ihr Einkommen, die Geldwertstabilität”, sagt Adam. Ein Thema, “das die Leute verstanden, ohne dass wir lange Erklärungen nachschieben mussten”.