„Das Kind war lebendig tot“

Mutter sperrt Tochter drei Jahre lang in Bettkasten


27.11.2024 – 10:46 UhrLesedauer: 2 Min.

Das Schubfach: In ihm soll das Kind drei Jahre lang fast ununterbrochen eingesperrt gewesen sein. (Quelle: Cheshire Constabulary/PA Media/dpa)

Als sie befreit wurde, kannte die Dreijährige kein Tageslicht. Sie hatte noch nie ein anderes Gesicht als das ihrer Mutter gesehen.

Ein Kriminalfall erschüttert Großbritannien. In der Grafschaft Chesire im Nordwesten Englands ist eine Mutter zu siebeneinhalb Jahren Haft wegen Kindesmisshandlung verurteilt worden – sie hatte eine Tochter von der Geburt an fast drei Jahre lang in einem Schubkasten unter ihrem Bett vor der Außenwelt versteckt. Weder Geschwister noch Vater sollen etwas von der Existenz des Mädchens geahnt haben.

Am Dienstag fiel das Urteil. Richter Steven Everett sprach von einem „völlig unfassbaren“ Verhalten der Mutter. „Sie haben dieses kleine Mädchen jeglicher Liebe, jeglicher Zuneigung und jeglicher Aufmerksamkeit beraubt, jeglicher Interaktion mit anderen, jeglicher ordentlicher Ernährung, jeglicher dringend benötigter medizinischer Versorgung“, sagte der Richter am Chester Crown Court.

Die Mutter hatte das Kind im März 2020 in ihrem Haus in einer Badewanne zur Welt gebracht. Sie erklärte der Polizei, ihre Beziehung zum Vater sei von Missbrauch geprägt gewesen. Daher habe sie die Geburt verheimlicht. Sie habe „große Angst“ bei der Geburt verspürt.

Auch ihren anderen Kindern sagte sie nichts. Die jüngste Tochter habe nicht zur Familie gehört, erklärte die Mutter der Polizei. Vor Gericht wischte sie sich Tränen aus den Augen.

Erst Anfang 2023 wurde das Kind entdeckt. Ein Partner der Frau hörte ein Weinen aus dem Obergeschoss und fand das kleine Mädchen. Eine eingeschaltete Sozialarbeiterin schilderte vor Gericht den „blanken Horror“, den sie empfand, als sie das Kind zum ersten Mal sah.

Die Haare des Mädchens waren demnach verfilzt, es litt unter Ausschlägen. Eine Gaumenspalte war nie medizinisch behandelt worden. Das Kind war fast drei Jahre alt, aber auf dem Entwicklungsstand eines Babys.

Es war schwer unterernährt und dehydriert. Es konnte weder gehen noch krabbeln. Sprechen konnte das Mädchen auch nicht. Den Ärzten zufolge, die es untersuchten, gab es nicht einmal einfache Kommunikationslaute von sich. Eine Vertreterin der Anklagebehörde CPS sagte, das Kind habe weder Tageslicht noch frische Luft gekannt und nicht auf seinen eigenen Namen reagiert, als es gefunden worden sei.

Die Mutter hatte die Tochter im Bettkasten mit aufgeweichten Frühstückskeksen gefüttert, die sie ihr mit einer Spritze gab. Über längere Zeiträume hinweg war das Kind komplett alleine: Die Mutter ging arbeiten, die Geschwister waren in der Schule. Einmal war die restliche Familie über Weihnachten auch eine Nacht lang nicht im Haus.

Die Konsequenzen für das Kind seien katastrophal, sagte der Richter. Sowohl körperlich, psychisch als auch sozial leide das Mädchen unter Entwicklungsverzögerungen. Inzwischen lebt es in einer Pflegefamilie. Der Richter nannte es ein „intelligentes kleines Mädchen, das jetzt vielleicht langsam ins Leben hinein wächst, nachdem es in diesem Raum praktisch lebendig tot war“.

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