Mohamed Al-Fayed soll 40 Jahre lang Mädchen und Frauen sexuell missbraucht haben. Mittlerweile spricht die Polizei von mehr als 100 Geschädigten. Wieso wurde nicht früher ermittelt?

Der Skandal um den verstorbenen Geschäftsmann Mohamed Al-Fayed nimmt immer größere Ausmaße an. Sollten sich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als wahr herausstellen, zählt der im Jahr 2023 verstorbene Geschäftsmann zu den schwersten Sexualstraftätern Großbritanniens.

Im September dieses Jahres strahlte der Sender BBC eine Dokumentation aus, in der Frauen dem ehemaligen Harrods-Besitzer Vergewaltigung, körperliche Gewalt und sexuelle Übergriffe vorwerfen. Nach der Ausstrahlung meldeten sich 90 weitere Personen. Mittlerweile zählen die Behörden 111 mutmaßliche Opfer. Die Verbrechen sollen sich zwischen 1977 und 2014 ereignet haben. Mohamed Al-Fayeds jüngstes mutmaßliches Opfer soll 13 Jahre alt gewesen sein.

Ein Großteil der Frauen, die nun Vorwürfe gegen ihn erheben, arbeitete in Mohamed Al-Fayeds Luxuskaufhaus Harrods in London, so auch Bianca Gascoigne. Die Reality-TV-Bekanntheit und Tochter des ehemaligen englischen Fußballers Paul Gascoigne war damals 16 Jahre alt, wie sie jetzt in einer TV-Show erzählte. Während wöchentlicher Termine habe Mohamed Al-Fayed sie begrapscht und gezwungen, ihn zu küssen. Bei einer anderen Gelegenheit habe er sich vor ihr entblößt und versucht, ihren Kopf in seinen Schoß zu drücken. „Es war furchtbar“, erinnerte sie sich.

Neben Harrods besaß Mohamed Al-Fayed fast 20 Jahre lang den Londoner Fußballverein Fulham FC. Auch dort soll er sich ein Opfer gesucht haben. Die ehemalige Kapitänin Ronnie Gibbons wurde laut eigener Aussage im Alter von 20 Jahren zweimal belästigt. Mohamed Al-Fayed soll unter anderem versucht haben, sie „gewaltsam“ zu küssen.

Der Verein zeigte sich bestürzt über Gibbons Aussagen. Unterdessen bestätigte Gaute Haugenes, der zwischen 2001 und 2003 die Frauenmannschaft des Vereins trainierte, von den Übergriffen gewusst zu haben: „Um ehrlich zu sein, ist es keine große Überraschung“, sagte er in einem BBC-Bericht. „Wir wussten, dass er auf junge, blonde Mädchen steht. Also haben wir einfach dafür gesorgt, dass solche Situationen gar nicht erst entstehen konnten. Wir haben die Spielerinnen geschützt.“

Auch ein ehemaliger Harrods-Manager sagte dem Medium, dass die sexuellen Übergriffe seines damaligen Chefs in dem Unternehmen allgemein bekannt gewesen seien. Es habe oft Anspielungen oder Witze darüber gegeben.

Mohamed Al-Fayeds missbräuchliches Verhalten war also offenbar kein Geheimnis. Dennoch wurde es über Jahrzehnte verschwiegen. Viele fragen sich in Großbritannien deswegen nun, wie er über einen so langen Zeitraum ungestraft Frauen missbrauchen konnte.

Auch die Polizei geht nun dieser Frage nach. Gegen fünf Personen leitete sie Ermittlungen ein, „die mit Al-Fayed in Verbindung stehen“, zitiert die britische Zeitung „The Guardian“ die Ermittlungsbehörden. Die Beamten versuchen, herauszufinden, ob diese Mohamed Al-Fayed bei den mutmaßlichen Straftaten unterstützt und womöglich so erst ermöglicht haben.

Sie ermittelt aber auch in den eigenen Reihen. Denn der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs gegen Mohamed Al-Fayed ist ist auch für die Strafverfolgungsbehörden nicht neu. Schon in der Vergangenheit gingen sie Anschuldigungen nach, ein Verfahren wegen mutmaßlicher Vergewaltigung wurde laut BBC aber im Jahr 2015 eingestellt. Zu einer Anklage ist es nie gekommen. Haben die Beamten damals nachlässig gearbeitet?

Auch von korrupten Polizisten ist die Rede. Sie sollen Mohamed Al-Fayed geholfen haben, seine Verbrechen zu vertuschen. Der ehemalige Sicherheitsdirektor Bob Loftus behauptet, der milliardenschwere Unternehmer habe seinen Einfluss genutzt, um alle Betroffenen zum Schweigen zu bringen. In dem Zuge belastete er auch einen ehemaligen Polizisten. Dieser soll Geschenke erhalten haben, „wenn er Harrods eine besonders große Hilfe“ gewesen sei.

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