Neue Strategien gegen Messerkriminalität sollen das Leben in der Hauptstadt sicherer machen. Berlin will damit politischen Handlungswillen suggerieren, sendet aber nur eine Kapitulationserklärung an potenzielle Täter.
Berlin sagt der zunehmenden Messerkriminalität lautstark den Kampf an. Messerverbotszonen in Kreuzberg und Wedding sollen die Gewaltkriminalität eindämmen. Außerdem soll verurteilten Messerstechern zur Abschreckung der Führerschein entzogen werden.
Keine dieser Maßnahmen hat wirklich etwas mit Ursachenbekämpfung oder angemessener Bestrafung der Täter zu tun. Es ist ein Ausdruck der Hilflosigkeit, der Ideenlosigkeit und des Mangels an Mut, die Probleme an der Wurzel zu packen.
Der Berliner Senat will seinen Bürgern lediglich ein Gefühl von Sicherheit geben – und das möglichst billig, denn ein kleines Gesetz kostet erst mal nichts. Damit erweist sich die Hauptstadt in dieser Frage als zahnloser Tiger: brüllt, beißt aber nicht.
In einer Messerverbotszone dürfen Polizisten Personen verdachtsunabhängig kontrollieren und Messer sofort beschlagnahmen. Dazu wird ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro fällig. Ein Grund zum Aufatmen ist das nicht. Denn die Entscheidung, sich ein Messer in die Tasche zu packen, bevor man das Haus verlässt, hängt von vielem ab, aber sicherlich nicht von einer Messerverbotszone.
Professor Andreas Heinz, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charité, erklärt im Interview mit dem RBB, aus welcher Überzeugung heraus Menschen überhaupt erst ein Messer dabeihaben. Das seien etwa Angst, Selbstschutz, das Ausstrahlen von Aggression und Macht – und die bloße Annahme: Andere hätten auch ein Messer dabei, sagt Heinz.
Ein Messerverbot in bestimmten Bereichen ändert nichts an dem Motiv, das ein potenzieller Angreifer hat. Es ändert nichts an seiner Entscheidung, eine potenzielle Waffe in der Öffentlichkeit zu tragen; es ändert nichts, wenn er davon überzeugt ist, dass er das Messer braucht.
Natürlich kann die Polizei, wenn sie ihn denn in solch einer Zone erwischt, das Messer beschlagnahmen. Dann haben die Beamten für den Moment ihre Pflicht erfüllt. Doch die Sicherheit trügt.
Was Messerverbotszonen schaffen, ist lediglich ein naives Sicherheitsgefühl für all jene, die ohnehin kein Messer dabeihaben. Es ist ein Trostpflaster, die in dem Glauben leben, man müsse nur die richtigen Regeln aufstellen, dann würden sich die anderen auch daran halten. Diese blauäugige Vorstellung geht an der Lebensrealität von Menschen, die meinen, in Berlin ein Messer mit sich führen zu müssen, gnadenlos vorbei.
Im Jahr 2022 gab es 3.317 registrierte Straftaten mit dem Einsatz eines Messers, 2023 waren es 3.482 registrierte Straftaten – etwa die Hälfte davon waren laut Polizei Drohungen. Von den 2.575 mutmaßlichen Tätern seien etwa 1.200 Deutsche und 1.370 Ausländer gewesen. Im laufenden Jahr zählte die Polizei bis Ende Oktober rund 2.600 Taten. Die überwiegende Mehrheit der Täter ist männlich und über 21 Jahre alt, etwa die Hälfte der Vorfälle ereignet sich im häuslichen Umfeld.
Und dann ist da noch das Problem der Kontrolle, denn Schilder aufstellen allein wird nicht reichen. Das sieht auch die Polizei so. Es sei „unglaublich personalintensiv“, Messerverbotszonen von Beamten überwachen zu lassen, sagt Stephan Weh, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei. Die Ressourcen, die die Polizeikontrollen bräuchten, müssten an anderer Stelle eingespart werden. Zudem beschränke sich die Messerstecherei in Berlin nicht auf wenige Brennpunkte. Sein Vorschlag: „Wir brauchen ein generelles Trageverbot in der Öffentlichkeit.“
- Auch Ärzte an der Berliner Charité verzeichnen eine Zunahme von Patienten mit Stichwunden: „Wir können nach der Behandlung solcher Verletzungen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“
Laut Polizeipräsidentin Barbara Slowik stammen viele Messerstecher aus Milieus, in denen Kriminalität an der Tagesordnung ist. GdP-Sprecher Benjamin Jendro spricht derweil von Gruppen, die „offene Rechnungen“ lieber selbst begleichen, als die Polizei einzuschalten. Diese kriminellen Gruppen werden sich wohl von den Messerverboten kaum beeindrucken lassen und sich weiterhin bewaffnen.
Außerdem, so Slowik, gebe es unter den Messerstechern eine Zunahme von labilen und psychisch auffälligen Personen. Wie kann man diesen Menschen das Messerverbot in bestimmten Zonen vermitteln? Das Mitführen von Messern sei auch in bestimmten Gruppen von Jugendlichen verbreitet. Auch hier gilt: Jugendliche brauchen eine andere Ansprache als bloße Verbote. Man muss ihnen vermitteln, dass Messer nie eine Lösung für Konflikte sind.