Prognosen zu optimistisch?
Meeresspiegelanstieg könnte deutlich unterschätzt worden sein
Aktualisiert am 30.01.2025 – 02:22 UhrLesedauer: 3 Min.
Forscher schlagen Alarm: Eine neue Studie ergibt, dass der Anstieg des Meeresspiegels bis zum Ende des Jahrhunderts wesentlich höher ausfallen könnte als bisher angenommen.
Die Erderwärmung, verursacht durch die menschengemachte Klimakrise, hat viele verheerende Auswirkungen. Experten warnen seit Langem, dass zahlreiche Küstenabschnitte auf der ganzen Welt in absehbarer Zeit überschwemmt werden könnten. So arbeitet etwa der Küstenschutz auf der beliebten Ferieninsel Sylt schon jetzt unentwegt gegen die Auswirkungen an: Peitschende Winterstürme tragen jedes Jahr einen Teil der Küste ab, der Sandstrand wird immer schmaler. Dazu kommt der steigende Meeresspiegel.
Die Meeresoberfläche steigt schon seit Jahrzehnten an – und zwar immer schneller. Durch Faktoren wie die hitzebedingte Ausdehnung der Ozeane und das Abschmelzen von Eisschilden und Gletschern.
Der wohl meist zitierte Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC prognostiziert aktuell einen Anstieg des Meeresspiegels zwischen sechzig Zentimetern und einem Meter bis 2100.
Dabei wird die Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieser Prognose mit 66 Prozent als „wahrscheinlich“ angegeben. Da Klimaphänomene, wie plötzliche abbrechende Eisschelfe, aber teils schwer zu kalkulieren sind, können Experten sich bei ihren Prognosen nicht eindeutig sicher sein.
Ein Forschungsteam hat nun einen neuen Ansatz gewählt, der präziser sein soll. Doch die Botschaft kommt einer Warnung gleich: Das Ergebnis der neuen Prognose wirft die Frage auf, ob die Ergebnisse des IPCC die künftigen Gefahren für Küstenstädte nicht deutlich unterschätzen.
Die Forscher von der Nanyang Technological University in Singapur und der niederländischen TU Delft sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der Meeresspiegelanstieg um bis zu 90 Zentimeter höher ausfallen könnte. Würden die Treibhausgasemissionen hoch bleiben und weiter steigen, dann halten die Forscher einen Anstieg zwischen 0,5 und 1,90 Meter für „sehr wahrscheinlich“ (eine Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent).
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Um den Unsicherheiten bei den vorhergehenden Modellen entgegenzuwirken, entwickelten die Wissenschaftler eine neue Projektionstechnik, die laut einer Pressemitteilung besser sein soll. Der sogenannte Fusionsansatz gewichtet die Stärke der Vorgängermodelle und kombiniert sie mit Experteneinschätzungen.
Der Erstautor der Studie, Dr. Benjamin Grandey, sagte in der Pressemitteilung: „Unser neuer Ansatz greift ein zentrales Problem der Meeresspiegelforschung auf: Verschiedene Methoden zur Projektion des Meeresspiegelanstiegs führen oft zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Durch die Kombination dieser verschiedenen Ansätze in einer können wir die mit dem künftigen Meeresspiegelanstieg verbundene Unsicherheit abschätzen und die sehr wahrscheinliche Bandbreite des Meeresspiegelanstiegs quantifizieren.“ Der neue Maximalwert der Prognose unterstreiche die Dringlichkeit für Entscheidungsträger, kritische Infrastrukturen entsprechend zu planen.
In zahlreichen Küstengegenden weltweit, etwa in Kalifornien und in Florida, in Spanien, Frankreich, der Türkei, in Brasilien und an der Goldküste in Australien, schwindet der Strand. Faktoren sind dabei unter anderem der Klimawandel und der Anstieg des Meeresspiegels. Unter ihren Bedingungen könnte „die Hälfte der weltweiten Sandstrände bis zum Ende des Jahrhunderts verschwunden sein“, hieß es in einer in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“ vorgestellten Studie aus dem vergangenen Jahr.
Darunter leidet nicht nur die Tourismusbranche, die Küstenerosion hat aber noch alarmierende Folgen: ganze Inseln verschwinden, es gehen wertvolle Ökosysteme kaputt. Strände sind für die dahinter liegenden Städte der bestmögliche Schutz vor Stürmen und Sturmfluten, da sie die Energie der Wellen absorbieren.