Côte d’Azur
Meereszoo schließt – Zukunft von zwei Schwertwalen ungewiss
06.01.2025 – 15:31 UhrLesedauer: 3 Min.
In Frankreich hat ein Zoo mit Delfin- und Walshows seinen Betrieb eingestellt. Aber wohin mit den beiden Orcas?
Am Sonntag hat das Marineland Antibes, Europas größter Meereszoo, seine Türen endgültig für Besucher geschlossen. Grund ist das baldige Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Tierquälerei in Frankreich. Die an der Côte d’Azur nahe Cannes gelegene Anlage war bekannt für ihre Shows mit Delfinen, Schwertwalen und anderen Meeressäugern. Was für viele Gäste spektakuläre Nummern waren, wird in Frankreich aber ab 2026 als Tierquälerei per Gesetz verfolgt.
Tierschützer jubeln über die Schließung, doch ein großes Problem bleibt: Die Zukunft der beiden Orcas Wikie (23) und Keijo (11), die seit ihrer Geburt in dem Zoo leben, ist ungeklärt. Während die Zoobetreiber auf eine Lösung drängen, die den bisherigen Bedingungen nahekommt, fordern Tierschutzgruppen ein naturgetreueres Lebensumfeld für die Schwertwale. Wie die BBC nun berichtet, könnte ein kanadisches Walprojekt eine Lösung bereithalten.
Die meisten Experten seien sich einig, dass die beiden Wale, bei denen es sich um isländische Orcas handelt, nicht in die freie Wildbahn entlassen werden sollten. Beide wurden in Gefangenschaft geboren und verfügen den Aussagen nach nicht über die nötigen Fähigkeiten zum Überleben.
„Das ist ein bisschen so, als würde man seinen Hund aus dem Haus jagen und ihn in den Wald schicken, damit er als Wolf frei leben kann“, sagte Hanne Strager der BBC. Die Meeresbiologin weiter: „Diese beiden Wale haben ihre engste Beziehung zum Menschen. Sie sind diejenigen, die sie mit Nahrung, Pflege, Aktivitäten und sozialen Beziehungen versorgt haben. Sie sind von den Menschen abhängig, es ist das Einzige, was sie kennen.“
Ein Vorschlag, die Orcas in einen japanischen Meerespark zu verlegen, stieß auf heftigen Widerstand von Aktivisten und wurde im November 2024 von der französischen Regierung blockiert. Die 13.000 Kilometer lange Transportstrecke und niedrigere Tierschutzstandards in Japan wurden als Gründe angegeben.
Alternativen wie der Loro Parque auf den Kanarischen Inseln, der strengen europäischen Tierschutzrichtlinien entspricht, sind ebenfalls umstritten. Aktivisten befürchten, dass die Orcas dort erneut in Shows auftreten könnten, was ihrer Ansicht nach einem Wechsel von einem „Walgefängnis“ ins nächste gleichkäme. Hinzu kommt, dass im Loro Parque zwischen 2021 und 2024 vier relativ junge Orcas starben (lesen Sie hier alles zu den ungeklärten Todesfällen).
In der freien Wildbahn liegt die Lebenserwartung der Weibchen bei durchschnittlich 50 Jahren, in Einzelfällen werden sie 80 oder gar 90 Jahre alt. Männchen erreichen durchschnittlich ein Alter von 29 Jahren, maximal 50 bis 60 Jahre.
Die Organisation Whale Sanctuary Project (WSP) hat nun laut BBC ein Konzept vorgelegt, das Wikie und Keijo ein Leben in einem geschützten Meeresareal vor der Küste Nova Scotias in Kanada ermöglichen könnte. Dort könnten Mutter und Sohn unter tierärztlicher Betreuung ein Leben in einem mit Netzen abgetrennten, 40 Hektar großen Areal führen, das ihrer natürlichen Umgebung nahekommt. Die Finanzierung hänge jedoch von der Zustimmung der französischen Regierung ab, heißt es.
„Das Leben in der Auffangstation wird so nah wie möglich an dem sein, was sie erlebt haben, als sie im Meer aufwuchsen“, wird die WSP von der BBC zitiert. „Es wird ein neues Leben sein, das so viel von dem, was vorher war, wieder wettmacht.
Diese Art von Projekt hat es schon einmal gegeben. Keiko, der Orca, der 1993 in dem Film „Free Willy“ die Hauptrolle spielte, wurde 1996 aus der Gefangenschaft gerettet und 1998 in eine Bucht in Island gebracht. Im Gegensatz zu Wikie und Keijo wurde er jedoch in freier Wildbahn geboren und konnte einige der notwendigen Überlebensfähigkeiten neu erlernen. Nach vier Jahren verließ Keiko mit einer Gruppe von Orcas, der er sich angeschlossen hatte, die Bucht und schwamm nach Norwegen. Hier starb er 2003 an einer Infektion.
Meeresbiologin Strager warnt davor, dass sich das geplante Schutzgebiet für Wikie und Keijo genauso fremd anfühlen könnte wie das offene Meer. „Wir haben die Vorstellung, dass Tiere die Freiheit in demselben Sinne genießen wie wir. Aber wir wissen nicht, ob sie die Freiheit auf dieselbe Weise sehen. Werden sie sich fürchten, weil es so anders ist als das, was sie gewohnt sind? Ich glaube nicht, dass es gute Lösungen für Tiere gibt, die ihr ganzes Leben in Gefangenschaft verbracht haben.“