Mit einer internen Kommission wollte der neue SPD-Generalsekretär vermeintlich die Moskau-Connection seiner Partei aufarbeiten. Daraus wurde nichts. In aller Stille wurden andere Ziele gesetzt.

Hannover – das hat in der SPD und über die Partei hinaus einen Ruf wie Donnerhall. Wer von der sozialdemokratischen Hochburg spricht, meint automatisch: Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel. Und wer Hannover sagt, der sagt meist im nächsten Satz: Moskau.

Die Seilschaften des Altkanzlers, der zum Gas- und Öllobbyisten für Putins Russland wurde, hatten die Partei über Jahrzehnte im Griff. Trotz markant vom aktuellen Kanzler Olaf Scholz ausgerufener – und verhalten umgesetzter – „Zeitenwende“ sind sie noch immer stark. Milliarden für die Bundeswehr, Waffenhilfe für die Ukraine: Viele, auch hochrangige SPD-Funktionäre wie Rolf Mützenich, tragen das nur widerwillig mit. Auch deswegen kann Verteidigungsminister Boris Pistorius oft nicht auf die Rückendeckung seiner eigenen Bundesregierung zählen.

Schröder und Frieden mit Russland

Und so ist es nicht ganz ohne Pikanterie, dass über zwei Jahre nach der russischen Vollinvasion der Ukraine nun wieder ein Mann aus Hannover die Zügel der SPD in der Hand hält: der Parteilinke Matthias Miersch als neuer Generalsekretär, der erste öffentliche Auftritte nutzte, um Friedensverhandlungen mit Russland zu fordern und Schröders Lebensleistung zu rehabilitieren.

Gerhard Schröder: Keine Persona non grata mehr. (Quelle: Christoph Soeder/dpa)

Viele in der Koalition, in der Union und auch in Expertenkreisen deuten das als Signal, dass die SPD dauerhaft unzuverlässig in Belangen der äußeren Sicherheit ist. Zumal zeitgleich die „Zeit“ und das ARD-Politikmagazin „Kontraste“ über eine Reise des SPD-Urgesteins Matthias Platzeck nach Baku zu geheimen Gesprächen mit Kreml-Vertretern berichten. Setzt die SPD wieder Kurs auf Moskau?

Noch im April hatten parteinahe Historiker um Heinrich August Winkler dem Vorstand bescheinigt, die Russlandpolitik der Partei nicht aufgearbeitet zu haben – weder die Verstrickungen mit Interessenvertretern Russlands, noch die fehlgeleitete Energiepolitik. Stattdessen werde die Ostpolitik „nach wie vor unkritisch und romantisierend als Markenzeichen der SPD hochgehalten“. Die Rede war anschließend vom „Parteibeton“, gegen den man nicht ankomme.

Wenig verdeutlicht diese Kritik besser als ein bislang nicht öffentlich gewordener Vorgang in dem von Miersch angeführten Parteibezirk Hannover. Er lässt deutliche Zweifel daran wach werden, ob der neue Generalsekretär die notwendige Aufarbeitung vorantreiben könnte.

Dort hatten die Ehrung des Altkanzlers Schröders für seine 60-jährige SPD-Mitgliedschaft im vergangenen Oktober Schlagzeilen und auch heftige parteiinterne Debatten ausgelöst. Zwei Ausschlussverfahren gegen Schröder waren gescheitert – und so entschloss sich der zuständige Bezirksvorstand um Miersch, der seine Anwaltslaufbahn einst in Schröders Kanzlei begann und dessen eigenes Parteijubiläum von Schröder mit einer Laudatio bereichert wurde, schließlich für eine nicht-öffentliche Ehrung. Zu lautstark war beispielsweise die Kritik der örtlichen Jusos.

Verbunden war das Zugeständnis an Schröder und die friedensbewegte Basis allerdings mit einer Art Versprechen: „Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass der SPD-Bezirk Hannover auf meinen Vorschlag hin eine Kommission zur Bewertung der Ost- und Entspannungspolitik der SPD in den letzten Jahrzehnten eingerichtet hat“, schrieb Miersch damals in einer Stellungnahme. Die Kommission solle den Diskurs auch auf Bundesebene begleiten.

„Matthias Miersch hat die Kommission im Oktober 2023 als Reaktion auf die Kritik an der Ehrung Gerhard Schröders angeregt“, bestätigte Juso-Bezirksvorsitzender Marco Albers nun auf Anfrage. Er hatte mit dem Ehrenvorsitzenden Wolfgang Jüttner – ein erklärter Gegner des Parteiausschlusses von Schröder – und Mierschs Stellvertreterin im Bezirk die Leitung der Arbeitsgruppe übernommen. Und dann passierte erst mal lange nichts.

Dabei hätte es sicher viel zu tun gegeben: Die Landesregierung um Ministerpräsident Stephan Weil hat sich in der parlamentarischen Aufarbeitung lange darauf zurückgezogen, dass etwaige Kontakte beispielsweise zu Parteifreund und langjährigem russischen Honorarkonsul Heino Wiese nicht offizieller Natur gewesen seien. Dass ein enger SPD-Freund Steinmeiers aus Hannoveraner Tagen, der ehemalige Dena-Chef Stephan Kohler, mit Steinmeiers Unterstützung Geschäfte mit einem Kreml-Offiziellen machte, während Steinmeier selbst mit Russland verhandelte, blieb für den Bundespräsidenten bislang ohne Folgen.

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