In ihrem neuen Film spielt Maria Furtwängler das Opfer einer Vergewaltigung. Mit t-online spricht sie über persönliche Grenzverletzungen durch Männer.

Laut Familienministerium wird jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer und/oder sexualisierter Gewalt. Schon seit 2016 setzt sich Maria Furtwängler mit ihrer Tochter Elisabeth und der gemeinsamen MaLisa-Stiftung unter anderem gegen Gewalt an Mädchen und Frauen ein. Nun widmet sie sich diesem Thema mit einem Film, in dem sie Hauptdarstellerin und Co-Produzentin zugleich ist: In „Bis zur Wahrheit“ spielt Maria Furtwängler eine erfolgreiche Neurochirurgin, die vom Sohn ihrer besten Freundin vergewaltigt wird.

Welche negativen Erfahrungen sie an Filmsets erleben musste und warum sogenannte Intimitätskoordinatoren so wichtig sind, erzählt sie im Gespräch mit t-online.

t-online: Frau Furtwängler, wie war es früher im Vergleich zu heute, intime Szenen zu drehen?

Maria Furtwängler: Bei intimen Szenen war früher kein Intimitätscoach dabei und mögliche Probleme wurden ignoriert. Es gab damals so gut wie keine Absprachen, was ich als Frau in solch einer Szene für akzeptabel halte. Es wurde nicht darüber gesprochen. Auch aus mangelndem Selbstbewusstsein und Wissen. Es schwang bei mir also immer ein Unwohlsein oder die Angst mit, dass mein Gegenüber die Situation ausnutzen könnte und unabgesprochen irgendwohin grapscht. Aber ich habe meinen Ekel oder mein ungutes Gefühl früher eher auf mich bezogen und als mein persönliches Problem angesehen.

Am 15. August 2022 gaben Maria Furtwängler und Verleger Hubert Burda nach über 30 Ehejahren ihre Trennung bekannt. (Quelle: imago/Sven Simon)

In welchem konkreten Moment hätten Sie sich damals Unterstützung am Set gewünscht?

Um mal ein vergleichsweise harmloses Beispiel zu wählen: Ich habe bei Dreharbeiten schon erlebt, dass mein Gegenüber in Sachen Körperhygiene nicht sehr sensibel war und ich plötzlich einen Roth-Händle-Kettenraucher mit Speichel im Mundwinkel küssen musste. Das war grauenvoll und ich habe innerlich gewürgt. Damals habe ich mich aber nicht getraut, zu sagen: „Ihr spinnt ja wohl! Der Mann muss sich erst mal die Zähne putzen und die Mundspülung benutzen. Und dann wird hier abgemacht, dass die Zunge beim Küssen selbstverständlich drinbleibt.“

Wie wichtig sind Intimitätskoordinatoren heute für solche Szenen?

Sie sind eine der großen Errungenschaften der MeToo-Bewegung. Sie choreografieren das Ganze. Bei einem Vorgespräch werden zunächst technische Dinge geklärt, wie man zum Beispiel intime Körperbereiche abklebt oder wo man eine Berührung am Körper erlaubt. Üblicherweise sorgen Intimitätscoaches auch für notwendige Hygieneartikel, wie beispielsweise Mundwasser. Das mag trivial klingen, aber es ist so wichtig. Erst dann fühle ich mich sicher bei intimen Szenen, was mich beim Spielen viel freier macht.



Ich war wie erstarrt und wollte gleichzeitig auch nicht als uncool gelten, wenn ich das direkt beanstande.


Maria Furtwängler


Erleben Sie heute noch unangenehme Situationen?

Natürlich, wie sicherlich jede Frau. Insbesondere im Schauspiel- und Theaterkosmos wird man immer mal wieder körperlich angegangen. Erst vor Kurzem habe ich erlebt, wie unter dem Deckmantel von „Wir sind alle lässig und trauen uns was“ meine Grenze überschritten wurde.

Ich war wie erstarrt und wollte gleichzeitig auch nicht als uncool gelten, wenn ich das direkt beanstande.

Was hat Sie bei den Vorbereitungen zu Ihrem neuen Film besonders bewegt?

Für mich war es am eindrucksvollsten, einen Beamten der Strafverfolgung zu hören, der dann sagte: „Wenn meine Tochter so etwas erleben würde, dann würde ich ihr empfehlen, es nicht anzuzeigen.“ In Deutschland ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Täter zur Rechenschaft gezogen wird, sehr gering. Es werden nur zehn Prozent aller Vergewaltigungen angezeigt und von diesen mutmaßlichen Tätern werden dann weniger als zehn Prozent verklagt. Das sind erschütternde Zahlen.

Warum ist der Täter im Film so viel jünger als sein Opfer?

Wir wollten mit dem Klischee brechen, dass das Opfer häufig jünger ist als der Täter und sich in einer untergeordneten Machtposition befindet. In unserer Gesellschaft herrscht die klare Vorstellung, wie so etwas abläuft. Weil wir uns an standardisierten Bildern orientieren, die uns jahrzehntelang gezeigt wurden. Dabei sind Vergewaltigungen so individuell wie ihre Opfer.

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