1986 stach der Polizeibeamte Michael R. zwölfmal auf eine Verkäuferin in einem Blumenladen ein. Sein Motiv: Die Rettung der Menschheit.

Die Geschichte des „Katzenkönigs“ gehört zu den skurrilsten Fällen der deutschen Kriminalgeschichte. Bis heute wird der Fall praktisch in jeder Strafrechtsvorlesung thematisiert. Dabei geht es um „Täterschaft, Teilnahme und Verbotsirrtum“, heißt es auf der Seite des Jura-Magazins „katzenkönig“, das nach dem Fall benannt ist. Was genau ist passiert? Woher stammt der Name „Katzenkönig“? Und warum ist der Fall so umstritten?

Am 30. Juli 1986 kam Michael R. nach Feierabend in einen Bochumer Blumenladen und gab vor, ein paar Rosen kaufen zu wollen. Als Annemarie N. ihm den Rücken zugedreht hatte, ging er mit einem Messer auf die Verkäuferin des Geschäfts los. Zwölfmal stach Michael R. der Frau in Hals, Gesicht und Körper. Erst dann ließ er von der Floristin ab. Mit Rosen drapierte der Angreifer noch ein Kreuz auf dem Körper des Opfers, ehe er vom Tatort floh.

Bereits am Tag nach der Tat konnte Michael R. gefasst werden. Trotz der gravierenden Verletzungen und des erheblichen Blutverlusts überlebte Annemarie N. den Angriff. Da der als Polizeibeamter tätige R. sich regelmäßig erkundigte, ob das Opfer denn schon verstorben sei, merkten die Ermittler schnell, dass mehr hinter der Tat steckte als ein spontaner Wutausbruch. Bei der Vernehmung zeigte sich dann auch, was das war. Michael R. gestand nicht nur die Tat, sondern schilderte auch sein wirres Weltbild.

Möhnesee im Sauerland: Hier vermutete Michael R. den „Katzenkönig“. (Quelle: IMAGO/Alexander Ludwig/imago-images-bilder)

R. war davon überzeugt, dass Annemarie N. habe sterben müssen, damit die Welt gerettet werden könne. Er erzählte den Ermittlern vom „Katzenkönig“, der am Möhnesee im Sauerland wohne. Dieser habe ein Opfer benötigt, da er sonst die gesamte Menschheit ausgelöscht hätte. Was hatte es mit diesen kruden Theorien auf sich? Ein Blick in das Privatleben des Täters gab Aufschluss.

Michael R. lebte in einer vom Landgericht Bochum als „neurotisches Beziehungsgeflecht“ eingestuften Dreiecksbeziehung. Gemeinsam mit Peter P. buhlte er um Barbara H., die ihrerseits mit beiden eine Beziehung führte. Wie das Gericht in seinem Urteil festhielt, war die Beziehung von „Mystizismus, Scheinerkenntnis und Irrglauben“ geprägt. Besonders Barbara H. und Peter P. beschäftigten sich gerne mit Glauben und Mystik. Michael R. konnte damit zunächst nichts anfangen.

Bereits 1982 waren der damals 24-jährige Michael R. und die 18-jährige Barbara H. ein Paar. Als Michael R. einige Jahre später in das Leben von Barbara H. zurückkehrte, konkurrierte er mit dem deutlich älteren Peter P., mit dem Barbara H. zu diesem Zeitpunkt bereits eine Beziehung führte. Daher entschloss sich Michael R., in die Wohnung gegenüber jener von Peter P. zu ziehen. So verfestigte sich das Geflecht.

„Der Angeklagten H. gelang es im bewussten Zusammenwirken mit P., dem leicht beeinflussbaren Angeklagten R. zunächst die Bedrohung ihrer Person durch Zuhälter und Gangster mit Erfolg vorzugaukeln und ihn in eine Beschützerrolle zu drängen“, wird die Hierarchie der Beziehung im Gerichtsurteil beschrieben. Später sei es H. und P. gelungen, „durch schauspielerische Tricks, Vorspiegeln hypnotischer und hellseherischer Fähigkeiten und die Vornahme mystischer Kulthandlungen“ Michael R. von der Existenz des „Katzenkönigs“ zu überzeugen. Dieser verkörpere seit Jahrtausenden das Böse auf dieser Welt, redeten sie ihm ein.

H. und P. ließen Michael R. zunächst verschiedene Mutproben im Namen des „Katzenkönigs“ absolvieren. Zunächst diente Michael R. also als Werkzeug zur Bespaßung der beiden. Barbara H. und Peter P. sollen dann aber auch diejenigen gewesen sein, die Michael R. von der Einforderung eines Opfers durch den „Katzenkönig“ erzählt haben. Dass die Wahl auf Annemarie N. fiel, soll kein Zufall gewesen sein.

Denn Annemarie N. hatte sich kurz zuvor mit dem Ex-Freund von Barbara H., Udo N., verlobt. Aus „Hass und Eifersucht“ soll sich Barbara H. dann dazu entschieden haben, den Aberglauben von Michael R. zu nutzen, um Annemarie N. zu töten, stellte das Landgericht Bochum in seinem Urteil fest. Peter P. soll sie dabei unterstützt haben, Michael R. von der Tat zu überzeugen.

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