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Michael Kretschmer wurde trotz fehlender Mehrheit im sächsischen Landtag als Ministerpräsident bestätigt. Jetzt meldet sich sein Gegenkandidat Matthias Berger zu Wort – und prophezeit der Regierung eine kurze Amtsdauer.

Der befürchtete Wahlkrimi in Sachsen endete schnell: Der CDU-Mann Michael Kretschmer wurde am Mittwoch vergangene Woche trotz fehlender eigener Mehrheit im Landtag im zweiten Wahlgang als Ministerpräsident im Amt bestätigt. Der 49-Jährige erhielt 69 Stimmen – und damit 18 mehr, als CDU und SPD Sitze im Landtag haben. Gegen ihn traten als Gegenkandidaten Matthias Berger (parteilos) und Jörg Urban (AfD) an. Für Berger stimmten 39 Abgeordnete, für Urban votierte einer.

Nach der Landtagswahl vom 1. September einigten sich CDU und SPD in Sachsen auf die Bildung einer Minderheitsregierung. Zuvor waren Verhandlungen über die Bildung einer Dreierkoalition zwischen der CDU, dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und der SPD gescheitert.

CDU und SPD fehlen im Landtag zehn Stimmen zur eigenen Mehrheit. Sie sind bei Abstimmungen deshalb auf Zustimmung aus anderen Fraktionen angewiesen. Doch wie soll das funktionieren? Matthias Berger, der für die Freien Wähler antrat, ist jedenfalls skeptisch, wie er im Interview mit t-online erklärt.

t-online: Herr Berger, Sie wollten Michael Kretschmer als Ministerpräsident von Sachsen ablösen. Das ist Ihnen misslungen. Wie enttäuscht sind Sie?

Matthias Berger: Gar nicht. Es ging nicht gegen Herrn Kretschmer persönlich. Es ging mir um das Land Sachsen, das große Probleme hat.

Die sächsischen Kommunen sind strukturell völlig unterfinanziert. Nahezu keine Gemeinde in Sachsen kann einen Haushalt aufstellen. Die Kommunen haben 20 bis 25 Prozent zu wenig Einnahmen. Das kann auf Dauer nicht gut gehen.

Das müssen Sie erklären.

Die Politik der vergangenen Monate hat auf kurzfristige Geldspritzen gesetzt. Die strukturellen Probleme vor Ort aber hat die Landesregierung weder erkannt noch adressiert – und das merken die Menschen: Die nämlich leben zuallererst in ihrem Dorf oder ihrer Stadt und nicht im sächsischen Landtag. In Dresden geht es oft um theoretische Probleme, die breite Masse der Menschen will aber einfach ihr tagtägliches Leben geregelt wissen und nicht irgendwelche weltfremden Diskussionen führen.

Ja, aber so ist es eben. Die Reformen aus Dresden beeinflussen das Leben draußen im Land kaum. Es gehen zahlreiche Firmen zugrunde, die Energiepreise schießen in die Höhe, das Rentenproblem wurde nicht angefasst.

Teils sind das aber Dinge, die auf Landesebene gar nicht geregelt werden.

Das ist richtig. Die bundespolitischen Probleme vermengen sich mit den landespolitischen. Doch grundsätzlich ziehen sie sich wie ein roter Faden durch – eben bis in die Kommune. Wir sind ein Land von reformunfähigen Pharisäern und Jammersäcken geworden.

Matthias Berger (Quelle: IMAGO/EHL Media/Dietmar Thomas/imago)

Matthias Berger (geboren 1968) ist ein deutscher Politiker aus Grimma, Sachsen, und Mitglied des Sächsischen Landtags als Spitzenkandidat der Freien Wähler. Bis Oktober 2024 war er langjähriger Oberbürgermeister seiner Heimatstadt Grimma. Der Rechtsanwalt engagiert sich für regionale Selbstverwaltung und eine überparteiliche Politik.

So wie es ist, wird es nicht weitergehen können. Es bräuchte eine grundlegende Reform. Die aktuelle Politik der Ausgrenzung ist gescheitert, wir als Freie Wähler Sachsen wollten auf eine Expertenregierung setzen.

Das erinnert an Javier Milei in Argentinien, der stark umstritten ist.

Besondere Umstände bedürfen auch besonderer Personen. So skurril er manchmal wirkt, hat er immerhin Argentinien aus der Hyperinflation geführt und erste wirtschaftliche Erfolge zu verzeichnen. Wie Milei hätte sich meine Regierung sehr unbeliebt gemacht, weil wir tiefgreifende Reformen angeschoben hätten. Die Verwaltungen wuchern immer weiter, parallel steigen die Kosten ins Unermessliche. Auch der Fördermitteldschungel ist völlig ausgeufert. Die Gelder, die wir einsparen, müssen in die Kommunen fließen.

Aus all Ihren Plänen wird jetzt nichts, Sie regieren nicht. Stattdessen muss sich die Minderheitskoalition von Kretschmer immer wieder neue Mehrheiten suchen. Kann ihm das gelingen?

Das frage ich mich auch. Kretschmer hat angekündigt, mit allen reden zu wollen. Sein neuer alter Partner SPD wird das aber nicht mitmachen, die Sozialdemokraten wollen sicher nicht mit der AfD sprechen. Und die Grünen schon gar nicht. Spätestens mit der Verabschiedung des Doppelhaushalts für die Jahre 2025 und 2026 wird es für die neue Regierung Kretschmer schwierig. Die CDU-SPD-Koalition kann dann ganz schnell wieder Geschichte sein.

Weil die politischen Prioritäten anders sein werden, die neue Regierung wird nicht sparen wollen. Bereits im laufenden Doppelhaushalt von Sachsen fehlen aber vier Milliarden Euro.

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