Zudem wird die Drogenmafia beim Versuch, die Behörden in Europa auszutricksen, immer einfallsreicher. Kokain wird inzwischen nicht nur in Containern zwischen Bananen und Autoteilen oder in Reissäcken versteckt. Im Mittelmeer werden an der Straße von Gibraltar modernste Schnellboote eingesetzt. Und seit wenigen Jahren wird in eigens dafür konstruierten U-Booten Kokain tonnenweise über den Atlantik nach Europa gebracht. Außerdem gibt es einen weiteren, relativ neuen Trend: Kokain wird zunehmend auch in Labors in Europa aus Coca-Paste hergestellt.
Wenn in größeren Häfen die Kontrollen strenger werden, weichen die Händler in Spanien und in Frankreich nach Behördenerkenntnissen auf kleinere, weniger gesicherte Häfen aus. Verstärkt bedienen sich die Kriminellen zudem der sogenannten „Drop-Off-Methode“: Sie werfen Drogenpakete von Frachtschiffen ab, damit kleinere Boote sie später einsammeln können. Das geht manchmal allerdings schief – vor knapp zwei Jahren wurden am Ärmelkanal bei Cherbourg zwei Tonnen Kokain an Stränden angespült.
Die Zunahme des Angebots drückt den Preis gewaltig: Für ein Kilo Kokain werde mit 16.000 Euro nur noch halb so viel wie noch vor zwei Jahren bezahlt, erzählte ein Fahnder der spanischen Zeitung „El Mundo“. Die einstige Upper-Class-Droge sei in ganz Europa längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Die Kokainschwemme bleibt nicht ohne Folgen. Auch in Deutschland spürt man das. Zwischen 2015 und 2021 stieg der Anteil der 18- bis 59-Jährigen, die jährlich Kokain konsumieren, von 0,6 auf 1,6 Prozent, wie es im Jahresbericht 2024 der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht hieß.
Drogenhandel ist aber nicht nur ein großes Gesundheitsproblem. In Spanien wird bereits eine alarmierende Zunahme der Gewalt registriert, die von den „Narcos“ – den Drogenkriminellen – ausgeht. Es gibt Entführungen auf Gran Canaria, immer mehr Schießereien in Katalonien und in Andalusien, immer mehr Drogendelikte auf Mallorca. Voriges Jahr wurde etwa in Barcelona ein Hafenarbeiter von der Mafia ermordet, und zwei Fahnder starben im Hafen der südlichen Stadt Barbate, als ein Drogenhändler sie mit seinem Schnellboot absichtlich überfuhr.
Barbate sei „eines der traurigsten und schlimmsten Ereignisse, die wir je erlebt haben. Es zeigt den Verlust des Respekts vor der Autorität, ein Problem, das besonders in Andalusien zu beobachten ist, sich aber auch auf andere Teile des Landes ausbreiten könnte“, warnte die Antidrogenstaatsanwältin Rosa Ana Morán im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Die Drogenbanden setzten immer häufiger Waffen ein. „Gefährliche, gewaltbereite ausländische Banden, vor allem Albaner“ seien zunehmend in den Drogenschmuggel involviert.