Bundesverfassungsgericht

Könnte Karlsruhe den Soli kippen?

Aktualisiert am 12.11.2024 – 05:15 UhrLesedauer: 3 Min.

Das Bundesverfassungsgericht muss über den Solizuschlag entscheiden. (Quelle: Sven Hoppe/dpa/dpa-bilder)

Durch den Solidaritätszuschlag fließen jedes Jahr zweistellige Milliardenbeträge in den Bundeshaushalt. Doch könnte damit bald Schluss sein? Das Bundesverfassungsgericht prüft die umstrittene Abgabe.

Vor fast vier Jahren verschwand der Solidaritätszuschlag von den Gehaltsabrechnungen der meisten Bundesbürgerinnen und -bürger. Doch Besserverdiener und Unternehmen werden weiterhin zur Kasse gebeten. Eine Verfassungsbeschwerde gegen den zur Finanzierung der deutschen Einheit eingeführten und seit Jahrzehnten umstrittenen Soli landet nun am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Sollte das Gericht die Abgabe streichen, würde das wohl die nächste Bundesregierung vor eine weitere große Herausforderung stellen. Worum es geht:

Der Soli wird als Zuschlag auf die Einkommens- und Körperschaftsteuer sowie Kapitalerträge erhoben. Nachdem es bereits 1991/1992 einen zeitlich befristeten Vorläufer gegeben hatte, wurde der Zuschlag 1995 laut Bundesfinanzministerium „vor dem Hintergrund der anhaltenden Finanzierungslasten des Bundes im Zusammenhang mit der Herstellung der deutschen Einheit“ unbefristet eingeführt. Das Geld ist aber – wie alle Steuereinnahmen – nicht zweckgebunden und fließt in den Bundeshaushalt.

Bis Ende 2020 mussten fast alle Bürgerinnen, Bürger und Betriebe in Ost und West den Solidaritätszuschlag zahlen. Seit 2021 müssen ihn nur noch Besserverdienende, Unternehmen und Kapitalanleger zahlen: für 90 Prozent der Steuerpflichtigen wurde er im Rahmen des „Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlag 1995“ abgeschafft, für weitere 6,5 Prozent zumindest zum Teil. Dem Institut der deutschen Wirtschaft zufolge zahlten zuletzt noch rund sechs Millionen Menschen den Soli sowie etwa 600.000 Kapitalgesellschaften.

In Karlsruhe wird am Dienstag über die Verfassungsbeschwerde von zwei ehemaligen und vier aktuellen FDP-Bundestagsabgeordneten verhandelt – darunter der Fraktionsvorsitzende Christian Dürr und die ehemaligen Finanzstaatssekretäre Florian Toncar und Katja Hessel. Toncar und Hessel waren nach der Entlassung von FDP-Chef Christian Lindner aus dem Amt des Bundesfinanzministers vergangene Woche ebenfalls aus ihren Ämtern ausgeschieden. Die FDP-Politiker hatten geklagt, bevor die Liberalen in die Regierung kamen.

Die Beschwerdeführer meinen, der Zuschlag sei mit Auslaufen des sogenannten Solidarpakts II Ende 2019 verfassungswidrig geworden. Sie kritisieren zudem, dass Bezieher verschiedener Einkommen durch das Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags ungleich behandelt würden. Ein Urteil fällt in der Regel erst einige Monate später.

Der Solidarpakt war eine Transferleistung von Bund und Ländern an die ostdeutschen Bundesländer. Der Solidarpakt I trat 1995 in Kraft und wurde 2005 vom Solidarpakt II abgelöst. Der Pakt bestand aus zwei Körben. Mit dem Ersten sollte die Infrastruktur in Ostdeutschland ausgebaut und die Finanzkraft der Kommunen gestärkt werden. Im Zweiten wurde Geld für die Wirtschaftsförderung bereitgestellt. Der Solidarpakt II lief Ende 2019 aus.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich ein hohes deutsches Gericht mit der Abgabe beschäftigt. Der Bundesfinanzhof (BFH) in München hatte im Januar 2023 eine Klage gegen den Solidaritätszuschlag abgelehnt und diesen für verfassungskonform erklärt. Die Kläger – ein Ehepaar aus Aschaffenburg – hatten zusammen mit dem Bund der Steuerzahler die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gefordert. Laut BFH-Urteil habe der Bund aber schlüssig dargelegt, dass die Wiedervereinigung weiter erhöhten Finanzbedarf verursache, auch wenn die Solidarpakte zur Finanzierung der Einheitslasten ausgelaufen seien.

Die Entscheidung der Karlsruher Richterinnen und Richter könnte große Auswirkungen für den Bundeshaushalt haben. Denn die Bundesregierung hat für das kommende Jahr Soli-Einnahmen von 12,75 Milliarden Euro fest im Haushalt verplant. Sollte das Verfassungsgericht den Zuschlag kippen, würde dies das Loch im Etat für 2025 noch deutlich vergrößern. Doch es könnte noch schlimmer kommen: Der Senat könnte entscheiden, dass der Staat Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag der vergangenen Jahre zurückzahlen muss. Das wären dann seit 2020 um die 65 Milliarden Euro. Mit den Konsequenzen müsste sich dann vermutlich die nächste Bundesregierung beschäftigen.

In Unternehmen könnte eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags für Entlastung sorgen. So könnten Betriebe in Deutschland laut Experten knapp 65 Milliarden Euro einsparen. Das geht aus einer Berechnung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor. Wirtschaftsverbände plädieren seit Jahren für die Abschaffung der Abgabe.

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