Die Klimakrise belastet Menschen weltweit – auch psychisch. Der „Klimastress“ kann weitreichende Folgen haben.

Feuer, Fluten, Dürre: Die Klimakrise hat viele sichtbare Auswirkungen. Doch auch die mentale Gesundheit kann betroffen sein. Das zeigte zuletzt eine Umfrage in Australien. In manchen Regionen der Welt stürzen die Folgen der Klimakrise Menschen in Depressionen, sagt die Psychologin Katharina van Bronswijk.

Was Menschen erleben, bevor es so weit kommt, nennt sich psychologisch „Klimastress“. Den gibt es auch in Deutschland. Was das bedeutet, was man dagegen unternehmen kann und warum das auch Auswirkungen auf den Konflikt zwischen Jung und Alt hat, erklärt die Psychologin im Interview mit t-online.

t-online: Frau Bronswijk, was ist Klimastress?

Katharina van Bronswijk: Klimastress ist ein Überbegriff, dem sich verschiedene Emotionen zuordnen lassen: Angst, Wut, Trauer, Schuld, Scham oder Hoffnungslosigkeit zum Beispiel. Alle von ihnen haben einen evolutionären Sinn. Angst zum Beispiel warnt uns vor potenziellen Gefahren, damit wir diese vermeiden oder beseitigen.

Was hat das mit Klima zu tun?

Menschen erleben diese Gefühle auch klimabezogen, das benennen wir dann mit der Vorsilbe Klima. So etwa die Klimaangst. Das empfinden Menschen, wenn sie sich zum Beispiel mit den Klimaszenarien und deren Gesundheitsauswirkungen beschäftigen. Dadurch wird das Bedrohungspotenzial spürbar. Die Emotion Wut dient dazu, die eigenen Grenzen zu verteidigen, wird aber auch empfunden, wenn Menschen etwas als Ungerechtigkeit erleben. Diese Gefühle mit Bezug auf Klima sind weitverbreitet.

Das sehen wir bei Umfragen zum Klima in Deutschland. Hierzulande bezieht sich die öffentliche Diskussion zum Klimaschutz oft auf Gerechtigkeitsthemen, wie die soziale Gerechtigkeit, Generationengerechtigkeit und die Untätigkeit von Politik und Wirtschaft. Das sind typische Anlässe, bei denen Menschen Klimawut empfinden. Viel subtiler und oft weniger gesehen wird Klimatrauer. Sie hat aber auch eine andere Aufgabe. Trauer als Emotion hilft uns, Verluste zu verarbeiten – der heilende Schmerz der Seele, könnte man sagen. Das ist bei Klimatrauer nicht anders. Da betrauern Menschen eintretende Verluste, wie das Aussterben bestimmter Arten oder dass sich Landschaftsbilder durch vertrocknende Bäume verändern.

Katharina van Bronswijk (Quelle: Arnaud Boehmann)

Zur Person

Katharina van Bronswijk ist Psychologin und Psychotherapeutin. Sie ist aktiv bei Psychologists/Psychotherapists for Future und im Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten. Außerdem ist sie als Autorin tätig. Ihr Buch „Klima im Kopf“ (Oekom Verlag) beschäftigt sich mit der Klimakrise und die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit.

Wie viele Menschen sind von Klimaangst und Klimatrauer betroffen?

Hier haben wir in kurzen Umfragen leider ein methodisches Problem. Häufig wird so allgemein und verkürzt gefragt, dass nicht eindeutig erkennbar ist, welche Emotion die Befragten empfinden. Werden Menschen gefragt: ‚Machen Sie sich Sorgen wegen des Klimawandels?‘, dann verstehen die Leute unterschiedliche Dinge darunter. Auch die Frage nach der Angst vor der Klimakrise, ist nicht so klar, wie man denken könnte.

Manche denken ‚Na ja, Panik habe ich nicht‘, haben aber trotzdem Sorgen. Andere bewerten das schon als Angst. Entsprechend sind die Ergebnisse möglicherweise verzerrt. Zu Klimatrauer haben wir in Deutschland noch keine bevölkerungsrepräsentative Umfrage. Auch in der Forschung wird sie im Vergleich zur Klimaangst leider noch stiefmütterlich behandelt. Sie ist nun mal ein bisschen komplexer und für viele nicht ganz so aufregend, vielleicht auch weil sie sich nicht so sehr für Schlagzeilen geeignet.

Sie ist aber auch nicht so sichtbar.

Ja, genau. Trauer führt bei vielen Menschen dazu, dass sie sich zurückziehen und eben nicht so laut und sichtbar sind. Insgesamt sind Klimagefühle ein Phänomen, worüber viele Leute nicht sprechen. In Umfragen bestätigen bis zu 80 Prozent, dass sie ein oder mehrere Klimagefühle empfinden. Das ist per se nicht schlimm, es ist auch nicht behandlungsbedürftig. Das sind schlicht emotionale Reaktionen auf die Informationslage. Wir haben immer Gefühle zu dem, was in unserem Leben so passiert. Nur bei wenigen Menschen ist das ein Problem. Die meisten Menschen können diese Gefühle für sich selbst gut verarbeiten und verdauen.

Also ist alles in Ordnung?

Nicht ganz. In einer repräsentativen Umfrage 2023 wurde festgestellt, dass sich viele in Reaktion auf die aktuelle Krisenkaskade zurückziehen und keine Nachrichten mehr konsumieren. Es überfordert sie. Sie haben nicht das Gefühl, irgendwas tun zu können, deswegen ziehen sie sich ins Private zurück und machen Yoga, dekorieren die Wohnung oder treffen sich mit Freunden und feiern Partys. Oder sie neigen zu Alibi-Verhaltensweisen: Den Müll besonders gut trennen, um ein gutes Gefühl zu haben.

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