Debatte über „Berufsverbot“

Aktivistin darf nicht Lehrerin werden: Ist das rechtens?


29.01.2025 – 13:29 UhrLesedauer: 4 Min.

Lisa Poettinger (Archivbild): Gegen die Klimaaktivistin laufen mehrere Verfahren. (Quelle: IMAGO/mufkinnphotos/imago)

In Bayern sorgt der Fall einer jungen Frau für Empörung, die gerne Lehrerin werden würde – dies aber wohl nicht darf. Sie spricht von „Berufsverbot“. Was ist an der Sache dran?

Lisa Poettinger ist mehr als sauer. Aus den Nachrichten, die sie derzeit im Internet verschickt, lässt sich ein gewisses Maß an Verzweiflung herauslesen. Kein Wunder: Ihr Entwurf vom Leben, so wie sie sich das vorgestellt hatte, droht pulverisiert zu werden. „Wir wollen eine lebenswerte Zukunft“, schreibt Poettinger auf X, „aber bekommen dafür Polizeigewalt, Präventionshaft und nun Angriffe gegen die individuelle Zukunft.“

Die junge Frau arbeitet derzeit in einem Kindergarten, sie möchte Lehrerin werden. Gerade hat die 28-Jährige ihr Lehramtsstudium in München mit dem ersten Staatsexamen abgeschlossen. Jetzt stünde eigentlich das Referendariat an, Poettinger würde dann Schülerinnen und Schüler in den Fächern Englisch, Ethik und Deutsch als Zweitsprache unterrichten.

Aber obwohl Lehrer in Deutschland händeringend gebraucht werden – der bayerische Freistaat würde auf Poettinger dann wohl doch lieber verzichten. Die politischen Aktivitäten der jungen Frau sind dem Kultusministerium nicht geheuer. Die 28-Jährige setzt sich für das Klima ein, bezeichnet sich als Kapitalismuskritikerin und Marxistin. Darf man das nicht in Deutschland? Hat Poettinger nun mehrere Jahre lang fachlich erfolgreich studiert und steht doch vor dem Nichts?

Die 28-Jährige spricht von „Berufsverbot“, die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete diese Woche zuerst über den Fall. Eine Woge der Empörung schwappt seither durchs Land, Vergleiche werden gezogen. Etwa zu dem Feuerwehrmann, der jüngst vom Amtsgericht München ein extramildes Urteil bekam, damit er Beamter bleiben kann, nachdem er eine Frau vergewaltigt und damit schwer traumatisiert hatte. Oder zu den AfD-Männern die gerade erst vom bayerischen Landtag zu ehrenamtlichen Richtern des bayerischen Verfassungsgerichtshofs gewählt wurden.

Nun steht die Frage im Raum: Wird in Bayern die Verfassungstreue mit zweierlei Maß gemessen? Der Fall von Poettinger ist allerdings erstens noch nicht endgültig entschieden und zweitens wohl auch etwas komplizierter, als es zunächst scheint.

Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete, erhielt die 28-Jährige bisher noch keinen finalen Ablehnungsbescheid vom bayerischen Kultusministerium, sondern nur ein sogenanntes Anhörungsschreiben. Dieses lasse allerdings darauf schließen, dass das Urteil der Verantwortlichen über Poettinger bereits nahezu fest steht. Der jungen Frau wird in dem Schreiben zwar die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, aber es heißt auch ganz deutlich, dass das Kultusministerium beabsichtige, der jungen Frau die Zulassung für das Referendariat zu versagen.

Die Gründe dafür sind detailliert dargelegt. Das Ministerium führt unter anderem laufende Ermittlungsverfahren und Poettingers Mitgliedschaft in der Gruppe „Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen München“ als Gründe an. Es bestehe mit Hinblick auf die anstehende Verbeamtung ein „Einstellungshemmnis“, wenn Bewerber nicht für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einträten.

Das „Antikapitalistische Klimatreffen“ wird vom bayerischen Verfassungsschutz der linksextremen Szene zugerechnet. Diese Einschätzung teilt Poettinger allerdings nicht. Sie sei überzeugte Verfechterin von Grundgesetz und bayerischer Verfassung, beteuert sie. Sie bezeichne sich als Marxistin – aber ausdrücklich nicht als Kommunistin.

In einer Demokratie müsse es erlaubt sein, den Kapitalismus zu kritisieren. Die Gleichsetzung von Antikapitalismus und Demokratiefeindlichkeit sei „skandalös“, findet Poettinger. Sie sei überrascht, dass ein Staat, der sich der Meinungsfreiheit verschreibe, so handle.

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