
„Können nicht alle gleich lang arbeiten“
Merz-Vertrauter Frei plädiert für „Individualisierung“ bei der Rente
26.12.2025 – 15:31 UhrLesedauer: 3 Min.
Kanzleramtsminister Thorsten Frei schlägt vor, den Koalitionsvertrag zu ändern und die Rente zu „individualisieren“. Er warnt vor wirtschaftlichen Herausforderungen.
Angesichts der schwachen Konjunktur in Deutschland hat sich Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) offen für eine grundlegende Überarbeitung des Koalitionsvertrags mit der SPD gezeigt. Es dürfe nicht „stoisch“ an der Vereinbarung festgehalten werden, sagte er den RND-Zeitungen vom Freitag. Damit reiht er sich ein in Äußerungen von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), die kürzlich Maßnahmen auch über den Koalitionsvertrag hinaus gefordert hatte, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Der von Schwarz-Rot ausgearbeitete Koalitionsvertrag sehe „eine Menge Maßnahmen vor, um die Rahmenbedingungen zu verbessern, und einiges haben wir bereits auf den Weg gebracht“, sagte Kanzleramtschef Frei dem RND. Generell gelte aber aus seiner Sicht: „Eine Koalition muss die Kraft haben, sich neuen Herausforderungen zu stellen, die man zu Beginn noch nicht absehen konnte.“
Die Ampel-Regierung unter dem damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe an ihrem Koalitionsvertrag trotz des russischen Überfalls auf die Ukraine „stoisch festgehalten“, sagte Frei. „Wir sollten daraus lernen und flexibler handeln.“ Möglicherweise heiße das auch, in der schwierigen Wirtschaftslage „verstärkt gegenzusteuern“. Industriepräsident Peter Leibinger hatte kürzlich erklärt, die deutsche Wirtschaft sei „im freien Fall“ und von der „schwersten Krise in der Geschichte der Bundesrepublik“ gesprochen.
Frei erklärte sich auch offen dafür, das Renteneintrittsalter an die Beitragsjahre zu koppeln. „Es muss unzweifelhaft zu einer Individualisierung des Renteneintrittsalters kommen. Es ist eigentlich eine Binsenweisheit: Es können nicht alle gleich lang arbeiten“, sagte der CDU-Politiker.
Es hänge mit der Art des Jobs zusammen, wie lange jemand seinen Beruf ausüben könne. „Es gibt Tätigkeiten, da erreichen die Menschen physisch oder psychisch früher eine Grenze, die das weitere Arbeiten schwer möglich macht. Andere Tätigkeiten – sogenannte Erfahrungsberufe – gehören in der Regel nicht dazu“, sagte Frei. „Und es muss auch einen Unterschied machen, in welchem Alter man ins Arbeitsleben gestartet ist.“ Frei folgt damit einer Idee des SPD-nahen Wirtschaftswissenschaftlers Jens Südekum.
Frei verdeutlichte, dass das aktuelle Rentensystem nicht mehr aufgehen könne. „In den 1960er Jahren haben die Menschen etwa zehn Jahre lang Rente bezogen, etwa sechs Erwerbstätige zahlten für einen Rentner“, sagte der Kanzleramtsminister. Heute bezögen Rente im Durchschnitt mindestens 20 Jahre Rente und es kämen nur noch zwei Erwerbstätige auf einen Rentner.
Hier sei der Staat gefragt und müsse gegensteuern, andernfalls stiegen die Sozialversicherungsbeiträge in den nächsten Jahren von derzeit knapp 42 auf über 48 Prozent. „Die Sozialausgaben steigen schneller als die Wirtschaftskraft. Dem sozialen Zusammenhalt läuft diese Entwicklung zuwider“, sagte Frei und verwies auf die Rentenkommission, deren Mitglieder bis zum Sommer überlegen sollen, wie die Rente in Zukunft aussehen soll.