Aber das Gesetz ist ein Anfang und schafft die Voraussetzungen, wo eine spätere Wehrpflicht anknüpfen kann: Es bringt die Wehrerfassung und die Musterung zurück und errichtet die nötigen Ausbildungs- und Unterbringungskapazitäten, ohne die es eine Wehrpflicht ohnehin nicht geben kann. Strukturen im Übrigen, die eine unionsgeführte Regierung im Jahre 2011 per Handstreich zerschlagen hatte und die eine Wiedereinführung der Wehrpflicht heute so erschweren.
Vor allem aber wurde das Gesetz gemeinsam beschlossen – von Union und SPD. Wie soll man als Bürger den Durchblick bewahren, wenn die Regierung ein beschlossenes Vorhaben im Nachgang immer wieder selbst infrage stellt? Dass ein Gesetz den Bundestag nie so verlässt, wie es hereingekommen ist, ist eine politische Binse. Aber die Union blockiert das Gesetz, noch bevor es den Bundestag überhaupt erreicht. Das ist Gift für das gemeinsame Regierungshandeln.
Ende August, bei der Kabinettsentscheidung, klang Merz noch anders. Der Kanzler nannte das Pistorius-Gesetz einen „wichtigen Schritt“ und fügte hinzu, sobald man feststelle, dass man nachsteuern müsse, „dann werden wir das tun, auch das ist in diesem Gesetz bereits angelegt.“
Recht hatte er, der Merz vom August: Der Zweifel, ob der freiwillige Ansatz ausreicht, ist im Gesetz verankert: „Wenn die verteidigungspolitische Lage es erfordert“, so heißt es dort, könne die Regierung nach vorheriger Zustimmung des Bundestags auch verpflichtend einziehen. Man versucht es also mit der Freiwilligkeit, lässt sich aber, falls alle Stricke reißen, eine Hintertür zur Wehrpflicht offen. Der Merz vom Oktober scheint diese Kompromisslinie bereits wieder vergessen zu haben – oder bewusst zu ignorieren.
Und als ob das nicht schon reichen würde, den fragilen Koalitionsfrieden zu gefährden, setzt Merz noch eine Stichelei gegen Pistorius obendrauf. Der Verteidigungsminister, der zuvor die Unionsblockade als „fahrlässig“ kritisiert hatte, habe wohl die Vorgänge im Parlament offenbar nicht ganz mitbekommen, so Merz bei „Miosga“. Die Verschiebung sei tatsächlich eine gemeinsame Verabredung von Union und SPD gewesen, behauptet Merz.
Was bezweckt Merz damit, seinem Kabinettskollegen nicht nur dermaßen in den Rücken zu fallen, sondern ihn auch noch zur besten Sendezeit als Ahnungslosen hinzustellen? Dass die SPD aus freien Stücken ein Gesetz ihres eigenen Ministers verschiebt, ist nicht nur unplausibel, sondern auch unglaubwürdig.












