Ein Thronfolger ohne Thron? Für Prinz William geht es aktuell um nichts Geringeres als den Fortbestand der Monarchie, zeigt eine neue ARD-Dokumentation.
In diesem Jahr stand Prinz William mehr denn je im Rampenlicht – neben Königin Camilla war er die prominenteste Konstante der Krone, als nacheinander sein Vater, König Charles III., und seine Ehefrau, Prinzessin Kate, an Krebs erkrankt waren. „Ihm ist in diesem Jahr vermutlich klar geworden, dass der Thron schneller an ihn übergehen könnte als gedacht“, sagt Leontine von Schmettow im Gespräch mit t-online.
„Ich glaube, dass ihn diese Tatsache zusätzlich belastet. Er ist nicht jemand, der freiwillig noch mehr Verantwortung haben will – vor allem auch, weil seine Kinder klein sind und er für sie da sein will.“ Eine vorzeitige Abdankung von Williams Vater sieht die ARD-Königshausexpertin aber nicht: „König Charles III. hat so lange darauf gewartet, endlich in die Verantwortung zu treten, dass er nicht freiwillig ohne eklatanten Grund den Thron abtreten würde.“
Der neue Dokumentarfilm „Prince William: vom Kronprinzen zum König“ von Leontine von Schmettow zeigt unter anderem die Schwierigkeiten, vor denen William jetzt steht. „Seine größte Herausforderung aktuell ist der Spagat zwischen den privaten Bedürfnissen der Familie und den öffentlichen Verpflichtungen als Thronfolger“, ist sich die Königshausexpertin sicher. Gleich danach folge der Konflikt mit seinem Bruder, Prinz Harry.
Beide sehen sich nicht mehr und haben zuletzt nicht einmal mehr miteinander geredet. „Dabei hatte William immer gehofft, dass Harry an seiner Seite steht und ihn unterstützt.“ Eine Versöhnung scheint aktuell nicht wahrscheinlich. „Die Bilanz ist eigentlich niederschmetternd“, weiß Leontine von Schmettow. Für ihren Dokumentarfilm sprach sie unter anderem mit Williams ehemaligen Privatsekretär und einer ehemaligen Kommilitonin von ihm. „Alle Interviewpartner haben gesagt, dass eine Versöhnung in weiter Ferne sei. William fühlt sich von Harry betrogen und alleingelassen.“
Die dritte große Herausforderung für Großbritanniens Thronfolger ist die unsichere Zukunft der Monarchie. „Keiner kann vorhersehen, ob es in der übernächsten Generation noch eine Monarchie in Großbritannien geben wird“, so Leontine von Schmettow. „Ich würde meine Hand für den Fortbestand der Krone nicht mehr ins Feuer legen. Das hätte ich vor zehn Jahren so nicht gesagt, aber der Wind hat sich sehr stark gedreht.“ Ob der Corona-Verstoß der niederländischen Royals, König Willem-Alexander und Königin Máxima, oder der aktuelle Skandal um den Sohn von Norwegens Kronprinzessin Mette-Marit: „Ein Vorfall genügt und die Umfragewerte fallen in den Keller.“
William dürfte laut der Filmautorin wissen, dass die Krone kein Selbstzweck ist und nur eine Chance hat, solange wie die Menschen sie auch wollen. „Die Zustimmungswerte müssen nur über einen längeren Zeitraum unter 50 Prozent liegen. Dann reicht im Grunde eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament, um die Monarchie abzuschaffen.“
Eine Studie der BBC im vergangenen Jahr zeigte, dass 78 Prozent der 18- bis 27-Jährigen nicht an der royalen Familie interessiert sind. „Die Gleichgültigkeit in der jüngeren Generation gegenüber dem Königshaus und die vielen Proteste gegen die Krone werden nicht weniger, sondern mehr“, ist sich Leontine von Schmettow sicher.
William, der als Thronfolger die Zukunft des Hauses Windsor symbolisiert, muss sich den Entwicklungen anpassen. „Sein Bart ist sicherlich auch Ausdruck davon, dass sich William immer mehr von königlichen Konventionen abwendet, weil er mehr Nahbarkeit und Normalität zeigen möchte.“ Ein schmaler Grat für den Kronprinzen: Er muss mit der Zeit gehen und die Tradition bewahren. „Wenn die britische Königsfamilie zu normal wird und sich vom Volk gar nicht mehr abhebt, wird man sich irgendwann fragen: Wozu brauchen wir die Royals eigentlich noch?“, weiß die ARD-Journalistin. „Ein Königshaus ohne Pomp, Pracht und rote Teppiche wäre eine Anpassung zu viel und würde die Monarchie vielleicht sogar zerstören. Eine gewisse Magie ist für den Fortbestand des Königshauses essenziell.“