Mehr Waffen und Wehrpflicht? Beim Thema Rüstung überraschte Joschka Fischer sein jüngeres Ich mit seinen Aussagen.
„Müssen wir uns für Krieg rüsten, um Frieden zu sichern?“, diese Frage an Ex-Bundesaußenminister Joschka Fischer hat Caren Miosga am Sonntagabend in den Fokus ihrer Sendung gerückt. Dass er im öffentlich-rechtlichen Fernsehen einmal für die Wehrpflicht und eine bessere Bewaffnung Deutschlands argumentieren würde, hätte er sich selbst nicht „träumen lassen“, gestand der Grüne in diesem Rahmen.
Weil sich Deutschland auf die USA nicht mehr verlassen könne und im Osten ein „imperiales Russland“ drohe, müssten Deutschland und Europa „abschreckungsfähig“ werden, so der ehemalige Chef-Diplomat. „Ich denke, die Wahl von Donald Trump lässt die These realistisch erscheinen, dass es das war mit dem Westen“, so Fischer. Europa müsse zur Kenntnis nehmen, dass es „im entscheidenden Moment“ nur noch auf die eigene Stärke vertrauen könne, führte er aus. Nur gemeinsam habe die Staatengemeinschaft eine Chance, betonte der Grüne und warnte: Sollte es Europa nicht schaffen, werden sich die anderen nicht kümmern.
Ob für die Verteidigung eine europäische Armee notwendig werde, wollte Miosga wissen. „Perspektivisch ja“, erklärte Fischer. Der erste Schritt werde jedoch auf nationaler Grundlage gegangen werden, prognostizierte er: beispielsweise in Form von gemeinsamen Rüstungsinitiativen zwischen europäischen Staaten. Wie er zu einer Beteiligung deutscher Truppen an einer Friedensmission in der Ukraine stehe, sollte es dazu kommen, hakte Miosga weiter nach. „Wenn unsere europäischen Partner dazu bereit sind, sollten wir nicht abseitsstehen“, erklärte Fischer. Grundsätzlich solle alles dafür getan werden, um die Souveränität der Ukraine zu bewahren, stellte er klar.
Mit Blick auf die aktuelle Debatte um eine Wehrpflicht, wollte Miosga von Fischer wissen, warum er selbst in den Sechzigerjahren nicht bei der Bundeswehr gewesen sei. „Schlechte Augen!“, erklärte der Ex-Außenminister und erntete Lacher aus dem Publikum. Auch mit besseren Augen hätte er damals den Wehrdienst verweigert, räumte der 76-Jährige ein. Wie er sich entscheiden würde, wenn er heute 18 Jahre alt wäre, wollte Miosga wissen. Es falle ihm schwer, diese „Zeitreise“ anzutreten, gestand der Grüne. Aus seiner Sicht sei es von großer Bedeutung, dass jeder einzelne sich heute frage, ob es ihm wert sei, einen Beitrag zur Verteidigung zu leisten, führte Fischer aus und kam schließlich zu dem Fazit: „Mir wäre es das heute wert.“
Nicht nur um Verteidigung, auch um Diplomatie ging es am Sonntagabend bei Miosga. Wie Deutschland am besten mit den Provokationen durch den amerikanischen Präsidenten Donald Trump umgehen sollte, wollte die Moderatorin von Fischer wissen. Hintergrund: Trump hatte Europäer in Erklärungen jüngst als „Abzocker“ oder „Schmarotzer“ betitelt. „Mit Gelassenheit nehmen“ und auf die eigene Stärke vertrauen, antwortete der Ex-Bundesaußenminister. Wichtig seien vor allem, dass die richtigen Konsequenzen gezogen würden. Dabei komme es auf drei Dinge an, so der 76-Jährige: „Europa, Europa, Europa – was denn sonst?“ Auch solle Deutschland aktiv nichts tun, um die Bande zu den USA weiter zu zerstören, so sein Appell.
Dem künftigen CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz wünschte Fischer alles Gute für seine Verhandlungen mit Trump. Um diese Reise beneide er ihn nicht, stellte er auch klar. Angesprochen auf Tipps für Merz erklärte Fischer: Trump sei „ein sehr spezifischer Charakter“, der Wert auf Schmeicheleien und Lob des eigenen Egos lege. „Das alles wird Merz berücksichtigen“, so Fischer. Ob es darum gehe, „unterwürfig“ zu sein, wollte Miosga wissen. Eher gehe es um „eine gewisse Geschmeidigkeit“ im Umgang mit Trump, die er auch niemandem vorwerfen würde, erklärte der Grüne. Ob sie etwas nütze, wisse man vorher jedoch nie, räumte er ein.