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Ein Fernsehritual rund um jede Bundestagswahl ist fest an die ARD-Personalie Jörg Schönenborn geknüpft. Was folgt für ihn auf die Analyse von Balkendiagrammen?

Da steht er nun wieder, in seinem klassischen blauen Anzug mit der gestreiften Krawatte: Jörg Schönenborn, der Mann, dem die Menschen vertrauen. Jedenfalls an Wahlabenden. Kaum ein Gesicht des deutschen Fernsehens ist so sehr mit den ersten Analysen zu Prognosen und Hochrechnungen am Vorabend nach der Wahl verbunden wie seines. Der ARD-Mann repräsentiert das „Hochamt der Demokratie“, wie Journalisten eine Bundestagswahl gerne nennen, für Millionen Menschen vor den Bildschirmen.

Auch an diesem denkwürdigen 23. Februar, mit seinen volatilen Daten, den unsicheren Ergebnissen aus den Auszählungen und den vielen offenen Fragen, war das wieder so. So verfolgten zwischen 17.10 und 20.00 Uhr im Schnitt 6,59 Millionen Zuschauer die Berichterstattung im Ersten. Die mit Abstand meistgesehene Sendung des Tages war die „Tagesschau“: Fast elf Millionen Menschen saßen gebannt vor dem Fernseher und lauschten Jörg Schönenborns Einordnungen.

Und jetzt? Der Tag danach wirft nicht nur für die Parteien viele Fragen auf, sondern auch für die Fernsehsender. Am Montagabend plant Das Erste etwa einen „Brennpunkt“, um über die neuesten Entwicklungen aus der Wahl zu berichten. Auch Jörg Schönenborn dürfte dann wieder zu sehen sein. „Am Tag nach der Bundestagswahl analysiert die Sondersendung aus dem ARD-Hauptstadtstudio die Ergebnisse der Wahl“, heißt es in der Senderinfo zu der von Studioleiter Markus Preiß moderierten Sendung.

Und wer, wenn nicht Jörg Schönenborn könnte die Ergebnisse besser analysieren? Für viele Zuschauer gehört der 60-Jährige zu Wahlen dazu, wie farbige Balkendiagramme auf einem Touchscreen. Schönenborn tippt auf den Bildschirm, eine Grafik erscheint – und im Anschluss redet der Journalist über die Daten des Meinungsforschungsintitus Infratest Dimap. Ein Fernsehritual.

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Doch was macht Jörg Schönenborn eigentlich, wenn die Wahlergebnisse ausreichend analysiert und eingeordnet sind, wenn eine Koalition gebildet und eine neue Regierung in Verantwortung ist? Für viele Beobachter wirkt es so, als habe der ARD-Mann an etwa 360 Tagen im Jahr frei. Doch dem ist nicht so.

Schönenborn ist seit nunmehr sechs Jahren offiziell „crossmedialer Programmdirektor für die Bereiche Information, Fiktion und Unterhaltung im WDR“, wie es der Sender auf seiner Webseite ausdrückt. Der studierte Journalist und Politikwissenschaftler arbeitete früher als Korrespondent für „Tagesschau“ und „Tagesthemen“, war dann von 2002 bis 2014 WDR-Chefredakteur und Leiter des Programmbereichs Politik. Es folgte die Zwischenstation als Direktor im WDR, bevor er in seine heutige Rolle schlüpfte.

Jörg Schönenborn 2022 am Wahlabend der 18. Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Landtag. (Quelle: IMAGO/Robert Schmiegelt)

Damit gehen viele Aufgaben hinter den Kulissen ein, nicht immer ist Schönenborn bei seiner Arbeit also vor der Kamera zu sehen. Auch seine Tätigkeit für die ARD-Wahlforschung findet vor und nach den Landtags-, Bundestags- oder auch Europawahlen in Redaktionsräumen und Konferenzen statt.

Allerdings gibt es auch eine Moderationsrolle, die Schönenborn regelmäßig ausfüllt – fernab der reichweitenstarken Wahlberichterstattung. Denn der gebürtige Nordrheinwestfale ist bereits seit dem Jahr 2008 für den ARD-„Presseclub“ zuständig. Eine Informationssendung, die wöchentlich sonntags und immer am Vormittag ausgestrahlt wird. In der Sendung diskutieren vier bis fünf Journalisten aktuelle, meist politische Themen – und Jörg Schönenborn moderiert diese Runde im Wechsel mit seinen Kolleginnen Ellen Ehni und Susan Link.

Privat ist über den Vollblutjournalisten wenig bekannt. Als t-online ihn vergangenes Jahr im Interview fragt, ob er sich von seiner Arbeit der Politberichterstattung auch mal eine Auszeit nehme, antwortet er vielsagend: „Ich lebe und liebe Politik. Es ist nicht nur Teil meines Berufs, ich finde sie auch darüber hinaus wirklich sehr spannend. Ich habe kürzlich im Urlaub nicht nur Krimis gelesen, sondern auch ein Buch vom Soziologen Steffen Mau, der tolle gesellschaftliche Analysen macht. Das inspiriert mich.“

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