Zum Glück betrifft das die Region Aachen nicht so, weil wir keine sogenannten Schrottimmobilien haben. Ich kenne aber Kollegen in Duisburg oder anderen Ruhrgebietsstädten, wo das beispielsweise ein großes Problem ist. Da wird das Wohngeld und das Bürgergeld missbraucht: Menschen aus Südosteuropa werden nach Deutschland gebracht, mit vielen anderen in Wohnungen gesteckt und mit Minijobs versehen, sodass sie als Arbeitnehmer in Deutschland gelten, die Anspruch auf Wohngeld und Aufstockung im Bürgergeld haben. Um das abzustellen, muss wohl EU-Recht geändert werden. Ich würde da allerdings noch einen Schritt weitergehen.
Wir haben insgesamt viele Minijobber, die aufstocken und Bürgergeld erhalten. Auch Schwarzarbeit kann mit Minijobs einfach vertuscht werden. Es wäre daher sinnvoll, dass Grundsicherungsempfänger generell keinen Minijob oder ihn nur temporär beschränkt ausüben. Ursprünglich waren die Jobs ja mal für Schüler, Studenten, Rentner oder Vollzeiterwerbstätige gedacht, die sich nebenbei was dazuverdienen wollen.
Aber kann ein Minijob für einen Arbeitslosen nicht auch der Einstieg in eine reguläre Arbeit sein?
Manchmal schon. Wer dem Rechnung tragen will, müsste zumindest das Aufstocken mit Bürgergeld auf ein Jahr beziehungsweise den Minijob darauf begrenzen. Aber: Wir können und sollten nicht länger jedem Einzelfall gerecht werden. Dadurch wird das System zu kompliziert. Meine Kollegen in den Niederlanden zum Beispiel sagen mir, eure Komplexität ist verrückt.
Wir können und sollten nicht länger jedem Einzelfall gerecht werden.
Stefan Graaf, Geschäftsführer Jobcenter Städteregion Aachen
Was können wir von den Niederlanden lernen?
Zum Beispiel mehr Pauschalregelungen einzuführen. Wir haben wahnsinnig komplexe Anträge, unterscheiden etwa bei der Leistungsübernahme, ob das Warmwasser über eine dezentrale oder eine zentrale Warmwasserversorgung kommt, statt zu sagen: Eine Person im Haushalt bekommt Summe X, mit der muss sie wirtschaften. Punkt. Sicher wird es dann Einzelfälle geben, bei denen der eine etwas zu wenig, der andere etwas zu viel bekommt. Aber weil wir das nicht in Kauf nehmen, sind die Regelungen kaum noch beherrschbar.
Was halten Sie dann von dem Vorschlag, bestimmte Leistungen wie etwa das Wohngeld und den Kinderzuschlag zusammenzufassen, um Regelungen zu vereinfachen?
Grundsätzlich wäre es sehr sinnvoll, die nahezu 500 Sozialleistungen in unserem Staat stärker zusammenzufassen, zu vereinheitlichen und zu schauen, was lässt sich zusammenlegen. Aber mindestens genauso wichtig wäre es, dass wir wie die Dänen einen einheitlichen Datensatz bekommen, auf den der Staat zugreifen kann. Das wäre eine Riesenerrungenschaft. Im Moment müssen Bürger meist in Papierform für jede Leistung die gleichen Unterlagen immer und immer wieder vorlegen. Bei uns wandern die Menschen von Behörde zu Behörde, Ziel muss es sein, dass die Daten bei Bedarf wandern. In diesem Sinne gilt es, auch den Datenschutz auf die Höhe der Zeit zu bringen, damit wir digitale Möglichkeiten besser nutzen können.











