Stefan Raab war immer mehr als das, was war. Er hat immer schon Sachen geprägt, die es so noch nie gab. Er war ein TV-Tüftler, ein Entertainment-Erfinder, ein Kreativ-Chirurg am Puls der Zeit. Die quälend lange Einführung bei Raabs Comeback kam allerdings gänzlich ohne Innovation aus. Erst als der Moderator selbst ins Scheinwerferlicht trat, war zu spüren, dass hier in liebevoller Kleinstarbeit Vorbereitungen getroffen und mit detektivischer Akribie ein Geheimnis gehütet wurde.

Dieser Teil der Show war beeindruckend. Womit wir beim finalen Haken und einem möglichen Knock-out wären: Wie oft gelingt so etwas? Der Überraschungseffekt ist aufgebraucht. Millionen Menschen haben das Comeback von Stefan Raab gesehen. Sie haben IHN gesehen, wissen nun, wie er mit 57 Jahren aussieht. Allein dieser simple Umstand befriedigt schon viel Neugier – und womöglich platzt die von RTL aufgepumpte Comeback-Blase schneller, als einem Stefan Raab im Boxring die Luft ausgeht.

Insofern ist dieses Spiel mit dem Interesse an der Figur Raab riskant. Der Entertainer mag das: „No risk, no fun – das ist mein Motto“ – so hätte es ein legendäres „TV total“-Nippel getönt. Aber nicht nur RTL pokert hoch. Auch Raab selbst muss jetzt liefern. Er wird unter Beweis stellen müssen, dass er mit einer wöchentlichen Streaming-Show Abonnenten verpflichten kann. Daran wird ihn sein neuer Arbeitgeber messen.

Und wir Zuschauer? Wir wollen sehen, ob er auch bis 2029 noch so ein origineller Unterhalter ist, für den er sich selbst hält. Gelingt das nicht, bleibt Raab plötzlich nicht als unerreichter König des Wahnsinns in Erinnerung, sondern nur als ein Mann, dem das Timing fehlte. Er wäre dann einer dieser vielen anderen TV-Größen, die den richtigen Zeitpunkt für einen Abgang verpasst haben.

Eigentlich stand Stefan Raab seit nunmehr einem Jahrzehnt für das genaue Gegenteil: Er ist gegangen, als es am schönsten war. Er hat es geschafft, den Absprung gemeistert. Davor konnte man nur den Hut ziehen. Jetzt droht sein Vermächtnis Schaden zu nehmen.

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