Viele Börsianer setzen beim Aktienkauf auf statistische Auswertungen. Dies soll helfen, Unsicherheit und Fehler kleinzuhalten. Wenn es nur so einfach wäre.

Kennen Sie den statistischen Witz mit den Hähnchen? Zwei Menschen gehen in ein Restaurant und einer bestellt ein ganzes Hähnchen, während der andere leer ausgeht. Statistisch haben dann beide ein halbes Hähnchen gegessen, aber nur einer ist satt.

Bezogen auf das Jahr 2024 ließe sich eine Statistik zum letzten Jahresdrittel ausgraben. Denn die Bilanz im Dax kann sich nach acht Monaten mit knapp 13 Prozent seit Jahresbeginn mehr als sehen lassen und liegt weit über dem Durchschnitt. Hat der Markt damit sein Potenzial ausgeschöpft?

Zumindest statistisch gesehen nicht. Seit 1988 lag der Dax Ende August 15 Mal um mindestens 12 Prozent im Plus. „Nur 1991 verliefen die restlichen vier Monate unter dem Strich negativ. In den Jahren 1998 und 2021 war ebenfalls kaum etwas zu holen, wobei 1998 vor allem das zwischenzeitlich deutliche Minus von 20 Prozent auffällt“, wertete der Aktienbroker RoboMarkets aus.

Abgesehen von diesen Ausnahmen ist die Bilanz jedoch positiv. In Zahlen: Im Durchschnitt legte der Dax um 8,7 Prozent pro Jahr zu. Meist beendete der Markt das Jahr zugleich am Hoch, wie der maximale Gewinn zeigt. Und auch die Risiken sind überschaubar. Zweistellige prozentuale Verluste seit dem Einstieg gab es nur dreimal.

Natürlich ist auch diese Auswertung keine Garantie für weiter steigende Kurse, zumal mit den US-Wahlen ein weiterer Unsicherheitsfaktor bevorsteht. „Grundsätzlich zeigt sich, dass Stärke am Aktienmarkt eher weitere Stärke nach sich zieht“, erklärt Franz-Georg Wenner von IndexRadar.

Soweit die statistische Theorie. Die Experten des Blackrock Investment Institute ordnen die Lage derweil anhand der vorliegenden Wirtschaftsdaten ein. So hält Blackrock sowohl die kursierenden Rezessionsängste als auch das Ausmaß der erwarteten Zinslockerungen für übertrieben.

Stattdessen sollten Anleger für das letzte Jahresviertel das Gesamtbild im Auge behalten: „Dies ist kein typischer Zinssenkungszyklus – weder in den USA noch in der Eurozone“, heißt es vom Vermögensverwalter. „Die Zinsen dürften strukturell höher ausfallen als vor der Pandemie.“

Carlos de Sousa von Vontobel glaubt jedoch, dass „unabhängig vom Ausmaß der ersten Senkung die Fed wahrscheinlich einen Lockerungszyklus einleiten wird, der ihren Leitzins bis Mitte 2025 in Richtung drei Prozent bringen wird. Auch andere Zentralbanken in den Industrieländern senken die Zinssätze, was eine sehr deutliche Lockerung der globalen Finanzierungsbedingungen im nächsten Jahr bedeutet.“

Dieser Pfad könnte am Aktienmarkt durchaus im letzten Jahresviertel eingepreist werden und dann mit der Statistik Hand in Hand gehen. Ob Dax und Nasdaq dann aus statistischen Gründen oder wegen der fundamentalen, also öffentlichen zugänglichen Wirtschaftsdaten steigen, ist dann die Frage von Henne oder Ei – wer war zuerst da. Wobei wir über Umwege auch wieder beim Hähnchen wären.

Aktie.
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