Einst wurde Spaniens Nationaltrainer kritisch beäugt. Bei der EM in Deutschland bejubelt das ganze Land Luis de la Fuente.

Er stand auf, applaudierte und bereute nur wenig später sein Handeln. Luis de la Fuente sprach von einem „unentschuldbaren menschlichen Fehler“, als er ausgerechnet Luis Rubiales inmitten des Kuss-Skandals seine Unterstützung bewies. Während der umstrittene Ex-Präsident des spanischen Fußballverbandes den „falschen Feminismus“ verurteilt hatte, spendete de la Fuente Beifall.

Konsequenzen musste der spanische Nationaltrainer nur bedingt befürchten. Zwar wurde von Teilen der spanischen Öffentlichkeit, vor allem in den sozialen Medien, die Entlassung Rubiales‘ und seiner Anhänger gefordert. Aber: „Ich muss nicht zurücktreten“, sagte de la Fuente nur so voller Selbstvertrauen. Zehn Monate später steht er im Viertelfinale der EM und trifft auf Deutschland (ab 18 Uhr im t-online-Liveticker).

Sein Ansehen geradezubiegen – Kritiker attestierten ihm eine „chamäleonartige Persönlichkeit“ – und die spanische Nationalmannschaft so erfolgreich zu formen, haben ihm zuvor vermutlich nur die wenigsten zugetraut. Denn sein Vorgänger war Luis Enrique, ein in Spanien hoch angesehener und mit Titeln geschmückter Trainer. Mit de la Fuente übernahm ein weitestgehend unbekannter Mann, der zuvor spanische Juniorennationalmannschaften betreut hatte – wenn auch erfolgreich.

Mit der U19 und U21 gewann de la Fuente, der seine Spielerkarriere größtenteils bei Athletic Bilbao verbracht hatte, jeweils den EM-Titel (2015 und 2019). Unter seiner Leitung standen damals auch die heutigen Leistungsträger Dani Olmo, Fabián Ruiz und Unai Simón auf dem Platz. Nach jahrelanger Zusammenarbeit kennt de la Fuente seine Spieler bestens, feierte mit ihnen den Titel der Nations League.

„Auf der ganzen Welt gibt es keine bessere Nationalmannschaft als die spanische. Spanische Fußballer sind die besten der Welt“, strotzte der Nationaltrainer vor Selbstvertrauen nach dem 1:0-Sieg gegen Italien am zweiten Spieltag und legte auch nach dem Viertelfinaleinzug gegen Georgien (4:1) nach: „Wir sind von uns sehr überzeugt. Bei allem Respekt vor allen anderen Mannschaften: Es ist meine persönliche Meinung, dass wir die beste Mannschaft und die besten Spieler haben.“

Seine Aussagen mögen für die einen arrogant, für die anderen mutig sein. Seine Spieler lassen sich vom Selbstbewusstsein ihres Trainers auf jeden Fall anstecken. Spielmacher Pedri beklagte sich vor dem Duell der beiden dreimaligen Europameister über schlechte Erfahrungen mit Deutschlands Abwehrchef Antonio Rüdiger – und nahm dabei kein Blatt vor den Mund.

„Er ist ein schlagkräftiger Innenverteidiger und sehr gut, aber man muss keine Angst vor ihm haben“, sagte der 21-Jährige vom FC Barcelona bei Radio Marca. „Das mit seinem Kneifen erscheint mir als ein Mangel an Respekt, weil es wehtut und nervt.“

Der frühere Bundesliga-Stürmer Joselu kündigte schon mal an, dass die Spanier die Karriere seines ehemaligen Real-Kollegen Toni Kroos beenden werden: „Ich glaube, Freitag ist das letzte Spiel für Toni.“ Jungstar Lamine Yamal sagte: „Ich sehe keine Mannschaft besser als unsere.“

An Selbstvertrauen mangelt es dem Team also nicht, es scheint sie sogar voranzutreiben. Ohne ein Gegentor zog Spanien in die K.-o.-Phase der EM ein, überzeugt auf dem Platz vor allem mit seinen jungen Talenten um Yamal (16 Jahre) und Nico Williams (21 Jahre). De la Fuente setzt sie den erfahrenen Spielern vor und nutzt seine Erfahrungen aus dem Jugendbereich. Das Ergebnis: ein zusammengeschweißtes Team.

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