Immer weniger Ausstattungsoptionen

Gibt es Neuwagen bald nur noch von der Stange?

Aktualisiert am 14.11.2024 – 10:40 UhrLesedauer: 5 Min.

Begrenzte Vielfalt: Vor allem außerhalb des Premiumsegments dürfte die Zahl der Ausstattungen deutlich schrumpfen. (Quelle: Sina Schuldt/dpa/dpa-bilder)

Einheitspakete statt individuelle Neuwagenkonfigurationen: Warum die Auswahl bei den Zusatzausstattungen immer weiter schrumpft.

Einen Neuwagen kauft man heute zunehmend von der Stange. Die Zeiten der Individualisierung über dicke Kataloge voll mit Sonderausstattung sind vorbei, viele Optionslisten passen heute auf eine DIN A4-Seite. Das hat Gründe.

Noch vor drei Jahren investierte die Kundschaft in den fünf größten europäischen Märkten durchschnittlich 2.871 Euro in Options-Ausstattung, wie die Beratungsgesellschaft Jato jüngst ermittelt hat. Seitdem geht die Zahlungsbereitschaft zurück. Aktuell sind es gerade noch 2.155 Euro, die der durchschnittliche Kunde für Komfort, Optik oder Sicherheit zusätzlich ausgibt. Der Anteil der Extra-Kosten am Gesamtpreis eines Neuwagens ist im gleichen Zeitraum von 6 auf 8 Prozent gesunken.

Ein wichtiger Grund für den zunehmenden Verzicht auf Extras dürften die hohen Basispreise der Fahrzeuge sein; seit 2021 haben sie um 6,7 Prozent zugelegt. Ein Teil der Steigerung liegt dabei an der häufig aufgewerteten Grundausstattung von Fahrzeugen. Umwelt- und Sicherheitsauflagen haben etwa LED-Scheinwerfer fast unverzichtbar und zahlreiche Assistenten sogar obligatorisch werden lassen. Heute kann in der EU beispielsweise kein Neuwagen mehr ohne Frontkamerasystem verkauft werden.

Und auch bei der Komfortausstattung haben die Hersteller nachgelegt: Posten wie Parkpiepser, Navigation oder schlüssellose Startsysteme zählen in vielen Klassen mittlerweile zum Serienumfang. „Die Zeit der Sonderausstattungen geht zu Ende“, sieht Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research in Bochum einen allgemeinen Trend. „Die Grundausstattungen sind immer umfangreicher und mit unterschiedlichen Trim-Levels gut zu überblicken. Hoher Wettbewerb, in der Zukunft auch mit Chinesen, erlauben weniger Spar-Versionen von Autos, die dann mit üppiger Zusatzausstattung verbessert werden.“

Trotzdem bleibt das Geschäft mit Zusatz-Ausstattung weiterhin wichtig für die Hersteller. Allein im ersten Halbjahr haben sie mit Optionen auf den fünf größten europäischen Märkten rund 12 Milliarden Euro umgesetzt. Allerdings vor allem in den oberen Fahrzeugsegmenten: Während Kleinstwagen-Käufer im Schnitt ein Extra kaufen und nur 530 Euro auf den Basispreis drauflegen, sind es bei Autos der Oberklasse 11,9 Extras. Die Halter investieren dafür durchschnittlich 14.707 Euro. Ebenfalls hoch ist die Kaufbereitschaft bei SUV der Oberklasse (13.226 Euro) sowie in der Mittelklasse (7.464 Euro).

Online-Konfigurator für den VW Golf: Die Zahl der Varianten ist kleiner geworden. (Quelle: Volkswagen)

Unter den Volumen-Marken hat VW mit 4,6 Extras und 3.218 Euro die Nase vorn, dicht dahinter folgt Skoda mit 3,7 Extras und 2.623 Euro. Bei französischen Herstellern wie Renault und Peugeot hingegen geben die Kunden gerade mal rund 1.000 Euro extra pro Neuwagen aus. Im Schnitt ordern sie knapp zwei Extras. Vielfalt bedeutet Aufwand.

Das ist nicht unbedingt ein Nachteil für die Konkurrenten im Nachbarland. Denn Differenzierung bringt nicht nur Umsatz, sie kostet auch Geld. Damit der Kunde die Möglichkeit hat, sich sein Auto nach eigenen Vorstellungen zusammenzustellen, müssen nicht nur Produktion und Logistik möglichst flexibel sein, auch Entwicklung und Zertifizierung werden aufwendiger. Das bindet Geld und personelle Ressourcen.

Die Hersteller haben diesen Aufwand jedoch lange Zeit gerne betrieben: Fiat etwa warb 2011 offensiv damit, in vier Jahren niemals zwei identische Kleinstwagen der damals noch recht neuen 500er-Baureihe gebaut zu haben. So groß war das Angebot an Farben, Accessoires und Sonderausstattungen für das kleine Lifestyle-Mobil. VW rühmte sich zu dieser Zeit, von seinen Millionen jährlich gebauten Autos seien jeweils nur wenige hundert identisch gewesen.

Effizient ist eine derartige Differenzierung nicht, wie Volkswagen mittlerweile bemerkt hat. Dass das so ist, lässt sich beispielhaft an der Preisliste des frisch gelifteten Golf erkennen. Die umfasst zwar immer noch 40 Seiten, für sämtliche frei wählbare Optionen reichen in dem Prospekt mittlerweile aber sechs Seiten. Den Rest füllen großformatige Image-Fotos und eine ausführliche Auflistung der Serienausstattungen. Statt der fünf unterschiedlichen Lenkräder aus der 2021er-Version gibt es in der neuen Liste nur noch eines, statt 31 unterschiedlicher Rad-Reifen-Konfigurationen reichen jetzt 17. Und wo die Angebote zu Radio- und Infotainmentsystemen vor vier Jahren noch zwei eng bedruckte Seiten füllten, gibt es nun im Wesentlichen drei Optionen – „Basis“, „bisschen besser“ und „Luxus“.

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