Ich rede ganz offen über die AfD

In Frankreich, Spanien oder Griechenland wird Abfall weiterhin einfach auf Deponien gekippt. Wir haben in Europa eine klare Zweiteilung: Skandinavien, die Niederlande, Belgien, Österreich, die Schweiz und Deutschland setzen auf Sortierung, Recycling und Verbrennung. In anderen Ländern wird der Abfall deponiert und verrottet. Das führt zu massiven Methanemissionen – darüber spricht nur kaum jemand. Ich halte es für einen Fehler, dass wir in Europa bis heute kein flächendeckendes Deponierungsverbot haben. Das ist klimapolitisch inkonsequent.

Arbeiten Sie denn an Lösungen, um den CO2-Ausstoß weiter zu senken?

Ja! Wir arbeiten intensiv an CO2-Abscheidungstechnologien, sodass jede Anlage technisch den CO2-Ausstoß weiter reduzieren kann. Wir betreiben Pilotanlagen und investieren Millionen in Forschung. Technisch ist das machbar – wirtschaftlich ist es noch herausfordernd. In Deutschland fehlt bislang ein klarer rechtlicher Rahmen, weshalb viele Projekte ins Ausland gehen. Ich bin überzeugt: In 20 bis 25 Jahren wird jede Anlage in Deutschland eine CO2-Abscheidung haben. Die Herausforderung liegt in der Skalierung und den Kosten, nicht in der Technik.

EEW-Anlage in Leudelingen, Luxemburg. „Wir arbeiten intensiv an CO2-Abscheidungstechnologien“, sagt CEO Timo Poppe. (Quelle: EEW)

Experten sagen aber, die Abfallvermeidung müsse Vorrang haben. Ist Ihr Geschäftsmodell also langfristig gefährdet?

Abfallvermeidung ist wichtig, aber es wird immer Stoffe geben, die aus hygienischen Gründen verbrannt werden müssen oder nicht recycelt werden können. Dafür braucht es die Verbrennung des Mülls. Wenn unser Brennprozess endet, bleibt Asche übrig – darin sind Metalle enthalten, die wir zurückgewinnen. Diese Metalle haben einen Wert und gehen wieder in den Kreislauf. Ein Land kann nicht zu 100 Prozent auf Abfallvermeidung setzen. Es wird immer ein Gleichgewicht geben zwischen Abfallmenge und Verwertungskapazität. Sollte es in 20 Jahren weniger Abfall geben, werden ältere Anlagen vom Markt gehen. Das ist ein normaler Prozess.

EEW hat sich in 150 Jahren immer wieder neu erfunden. Was war die größte Innovation?

Der Abschied von der Braunkohle. Schon in den 1990er-Jahren wusste man, dass der Tagebau endet. Meine Vorgänger haben damals entschieden, auf thermische Abfallverwertung umzubauen. Das war mutig und strategisch klug.

EEW war auch in der NS-Zeit aktiv, damals noch als Braunschweigische Kohlen-Bergwerke. Auch auf Zwangsarbeiter hat die Firma gesetzt.

Es stimmt, dass die BKB während der Zeit des Nationalsozialismus Zwangsarbeiter eingesetzt hat. Dieses Unrecht ist historisch belegt und darf nicht vergessen werden. Für das Leid, das diesen Menschen zugefügt wurde, gibt es keine Wiedergutmachung im eigentlichen Sinne. Aber es ist wichtig, dass unser Vorgängerunternehmen sich seiner Verantwortung gestellt hat.

Der damalige Konzernverbund beteiligte sich an der nationalen Entschädigungsinitiative „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ)“ für ehemalige Zwangsarbeiter, hat seine Archive geöffnet und die historische Aufarbeitung durch unabhängige Forschung unterstützt. Entscheidender für mich ist dennoch das Heute: Verantwortung zeigt sich nicht in Rückblicken, sondern in Standards und Verhalten.

EEW-Anlage in Hannover: Das Unternehmen hat eine mehr als 150 Jahre lange Historie. (Quelle: Peter Gercke)

Was bedeutet denn Verantwortung für Sie?

Sehr viel. Wir dulden kein Wegsehen – weder in unserem Unternehmen noch entlang unserer Wertschöpfungskette. Menschenrechte, eine klare Haltung zu demokratischen Grundwerten und Transparenz sind für uns nicht verhandelbar. Dass so etwas nie wieder geschehen kann, daran lassen wir uns heute und künftig messen. Verantwortung heißt für mich aber auch: Nulltoleranz bei Diskriminierung und den Mut, auch unbequeme Dinge anzusprechen. Wir haben bei EEW eine absolute Nulltoleranz – etwa bei sexuellem Fehlverhalten oder Mobbing. Da gibt es keine Grauzonen.

Nulltoleranz heißt: konsequent eingreifen?

Ja. Das bedeutet auch, dass man im Zweifel Mitarbeitende verliert. Das ist dann sehr schade, aber es ist wichtig, in solchen Situationen eine klare Haltung zu vertreten und für die eigenen Werte einzustehen. Ich habe lieber Mitarbeitende, die sagen: „Der Chef hat es verstanden und steht für unsere gemeinsamen Werte ein“, als eine Kultur, in der Dinge unter den Teppich gekehrt werden. Das gilt auch für die Politik.



Menschenrechte, eine klare Haltung zu demokratischen Grundwerten und Transparenz sind nicht verhandelbar.


EEW-Chef timo poppe


Ich tue meine Meinung sehr laut kund. So rede ich ganz offen über die AfD. Ich glaube, die AfD ist vor allem das Symptom davon, dass die übrigen demokratischen Parteien es nicht schaffen, mit sachlich fundierten Programmen und konsequenten Maßnahmen zu überzeugen. Viele Menschen wählen aus Enttäuschung, nicht aus Überzeugung.

Das ist eine Diagnose, die man von einem Unternehmenschef nicht oft hört.

Das aber ist ein zentrales Problem. Wir erleben in Deutschland gerade eine Verschiebung hin zu Protestbewegungen. Und ich finde, ein Fehler der 1930er-Jahre war, dass große Teile der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Elite geschwiegen haben. Sie haben ihre Haltung nicht verteidigt. Diesen Fehler will ich nicht begehen.

Herr Poppe, vielen Dank für das Gespräch!

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