Mitte der Achtziger saß Horst Günter Marx in der DDR im Gefängnis. 40 Jahre nach seiner Freilassung spricht der Schauspieler über seine damaligen dunklen Gedanken.
Sie zählt zu den erfolgreichsten Serien der ARD. Seit zehn Jahren flimmert „In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“ über die Bildschirme und lockt Woche für Woche Millionen von Menschen vor die Fernsehgeräte. Seit der ersten Folge mit dabei: Horst Günter Marx. Der Schauspieler übernimmt die Rolle des Wolfgang Berger.
Doch was kaum jemand weiß: Hinter dem heute 69-Jährigen liegt eine dramatische Vergangenheit. Horst Günter Marx saß 18 Monate im DDR-Gefängnis. Mit t-online hat er nun über seine Erlebnisse gesprochen und erzählt, warum er diese „schlimmste Erfahrung“ in seinem Leben niemals missen möchte.
t-online: Herr Marx, Sie spielen seit zehn Jahren in der Serie „In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“, waren von Anfang an dabei. Doch die wenigsten wissen, dass Sie schon zu DDR-Zeiten Schauspieler waren.
Horst Günter Marx: Ja, ich habe dort vor allem am Theater gearbeitet.
Bis Sie 1984 für 18 Monate ins Gefängnis kamen. Wie kam es dazu?
Ich wollte mit ein paar anderen die DDR verlassen und hatte einen Ausreiseantrag gestellt. Es brodelte damals in dem Land und Verhaftungen dienten als Abschreckung. Uns wurde Gruppenbildung und Zusammenschluss zur Verfolgung gesetzwidriger Ziele vorgeworfen.
Wie verlief die Verhaftung?
Sie passierte bei Nacht und Nebel. Ich war gerade vom Theater nach Hause gekommen. Nachts um 23 Uhr haben sie mich abgeholt – mit der typischen Aufforderung „Zur Klärung eines Sachverhalts“. Zwei Stunden sind sie mit mir durch die dunkle Nacht gefahren. Ich wusste nicht, wo es hingeht. Und dann bin ich nachts um 2 Uhr im Gefängnis gelandet. Noch in derselben Nacht wurde ich verhört. Irgendwann habe ich mich gewehrt und nichts mehr gesagt.
Und dann wurden Sie verurteilt?
Nach vier Monaten in Untersuchungshaft kam es zur Gerichtsverhandlung, eine reine Rechtsbeugung. Man konnte sagen, was man wollte, man hatte keine Chance, da wieder rauszukommen. Das, was in der Anklageschrift stand, wurde einfach als Urteil formuliert. Gregor Gysi war damals mein Rechtsanwalt, er hatte einen Freispruch beantragt, aber das wurde alles ignoriert. Das war irre.
Das Schlimmste war für mich aber der Gedanke an die DDR. Ich wollte nie wieder zurück.
Horst Günter Marx
Wie haben Sie dann die Zeit im Gefängnis erlebt?
Im Gefängnis habe ich in einem Metallwarenwerk gearbeitet. Es hat sich angefühlt wie bei der Armee. Man war kaserniert, eigentlich eingesperrt, ist zur Arbeit gefahren und hat gehofft, dass man irgendwann ausreisen kann. Letztendlich habe ich in der Zeit aber auch viele Erfahrungen gesammelt, die ich heute nicht missen möchte. Für mein Leben war das ein ganz wichtiger Prozess.
Man kommt mit Leuten zusammen, auf die man im normalen Leben nie treffen würde. Wie findet man im Gefängnis Freundschaften? Wie unterstützt man sich gegenseitig? Wie übersteht man so eine Zeit? Woher holt man sich die Kraft? Das Schlimmste war für mich aber der Gedanke an die DDR. Ich wollte nie wieder zurück. Ich wollte nicht all die Monate im Gefängnis auf mich nehmen, dann aber mein Ziel, die Ausreise, nicht erreichen.
Wie sind Sie mit solchen Gedanken umgegangen?
Ich war verzweifelt. An einem Punkt bin ich dann völlig zusammengebrochen. Sie haben mich daraufhin in eine Einzelzelle gesperrt und mich mit den Händen und Füßen ans Bett gekettet. Sie nannten es Isolation, aber es war Folter.
Wegen „angeblicher Selbstmordgefahr“. Ich hatte Albträume. Einem Mitgefangenen hatte ich gesagt, dass diese blutrünstig seien. Der hatte dann Angst vor mir. Das war wohl der Auslöser. Es war die schlimmste Erfahrung in dieser Zeit.