Bus- und Bahnfahrer überlastet
Hoher Krankenstand: BVG will Arbeitsbedingungen verbessern
12.09.2024 – 19:10 UhrLesedauer: 3 Min.
In Berlin sind die Fahrer im öffentlichen Nahverkehr besonders häufig krankgeschrieben. Jetzt äußert sich die BVG zum hohen Krankenstand ihrer Mitarbeiter.
Berliner Bus-, U-Bahn- und Straßenbahnfahrer fehlten häufiger krankheitsbedingt als jede andere Berufsgruppe in der Hauptstadt. Das geht aus einer Auswertung der Krankenkasse AOK Nordost für das erste Halbjahr 2024 hervor. Demnach hatten die ÖPNV-Fahrer von Januar bis Juni durchschnittlich 25,5 Fehltage – und fehlten damit zweieinhalbmal so oft wie der Durchschnitt der Berliner Versicherten (10,5 Fehltage).
Konkrete Gründe für den hohen Krankenstand nennt die AOK nicht. Anke Jurchen, Leiterin des Betrieblichen Gesundheitsmanagements bei der AOK Nordost, weist darauf hin, dass es Aufgabe der Arbeitgeber sei, für ein gesundes Arbeitsumfeld zu sorgen.
Stefan Volovinis, Pressesprecher der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), bestätigt auf Anfrage, dass die BVG derzeit mit vielen Dienstausfällen zu kämpfen hat, insbesondere bei den Kollegen im Fahrdienst.
Die BVG sei sich bewusst, dass der hohe Krankenstand auch ein Symptom für Überlastung sein kann und die Arbeitsbedingungen entsprechend angepasst werden müssen. „Wir arbeiten kontinuierlich daran, die Rahmenbedingungen für unsere Fahrer positiv zu gestalten“, so Volovinis.
So konnte die Arbeitszeit kürzlich auf 37,5 Stunden pro Woche reduziert werden, und auch bei den Wende- und Pausenzeiten gab es Verbesserungen. „Ziel ist es, die Belastung unserer Mitarbeitenden mit gemeinsamen Maßnahmen weiter zu reduzieren“, sagt Volovinis.
Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) ist es nicht nur wegen des hohen Krankenstandes, sondern auch wegen Personalmangels in letzter Zeit immer wieder zu Engpässen gekommen. Fahrgäste mussten länger auf Busse, U-Bahnen und Straßenbahnen warten. Zudem waren die Verkehrsmittel teilweise überfüllt.
Ein Busfahrer der Berliner Verkehrsbetriebe nannte in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“ einige Gründe, warum manche Kollegen den Beruf des ÖPNV-Fahrers in der Hauptstadt nicht mehr ausüben wollen. „Die BVG ist nicht das Problem. Berlin ist das Problem“, sagte er.
Die Zustände hätten sich in den letzten Jahren massiv verschlechtert. „Die Fahrgäste sind respektlos geworden“, sagt der Busfahrer. Einmal habe ihn ein Fahrgast zum Beispiel mit einem benutzten Kaugummi beworfen und ihm den Stinkefinger gezeigt, weil der Bus zu spät kam, erinnert er sich.
Außerdem hätten die Fahrer an den Endhaltestellen deutlich weniger Wendezeiten, um zu verschnaufen, sich zu verpflegen oder die Toilette aufzusuchen. Wo die Fahrer früher 15 Minuten Pause machen konnten, seien es heute nur noch wenige Minuten. Das Risiko, mit Verspätung loszufahren, ist also größer geworden. Ein weiteres Problem seien immer mehr Staus und Baustellen auf Berlins Straßen.
Zudem würden heute wesentlich mehr Menschen an den Haltestellen warten als noch vor einigen Jahren. „Alle Faktoren zusammengenommen führen dazu, dass viele neue Kollegen schon nach wenigen Wochen wieder das Handtuch werfen und kündigen“, resümiert der Busfahrer.
Immer wieder versucht die BVG, mit kreativen Kampagnen Personal zu gewinnen. Zuletzt war die BVG mit einem Recruiting-Bus auf der 32. Tattoo Convention in Berlin vertreten. Im Inneren konnten sich Interessierte über Jobs bei der BVG informieren – und sich kostenlos von Tätowierern ein kleines Tattoo stechen lassen.
Die Rekrutierungsstrategie, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind, statt darauf zu warten, dass die Bewerber von sich aus auf die BVG zukommen, habe sich bewährt, sagt Jenny Zeller, Vorständin Personal und Soziales bei der BVG. Im vergangenen Jahr habe das Unternehmen mehr als 2.400 Menschen eingestellt, in diesem Jahr seien bis Ende Juli bereits 1.400 Stellen besetzt worden.
Neben den Rekrutierungsbemühungen arbeitet die BVG auch daran, „die allgemein steigende Fluktuation zu senken und Mitarbeitende langfristig ans Unternehmen zu binden“, so Zeller.