Hochbetagte werden „tot operiert“
Hendrik Streeck legt nach
15.11.2025 – 10:03 UhrLesedauer: 2 Min.
Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung sorgt sich darum, dass Ältere überversorgt werden. Das hat auch mit seinen persönlichen Erfahrungen zu tun.
Hendrik Streeck (CDU) hat seine Forderungen zur medizinischen Versorgung älterer Menschen bekräftigt. In einem Gastbeitrag für die „Rheinische Post“ spricht sich der Drogenbeauftragte der Bundesregierung für ein „verantwortungsvolles Begleiten“ von Menschen in ihren letzten Lebensphasen aus. Ziel sei es, „ihnen etwas zu ersparen, statt sie aus falschen Anreizen zu überversorgen“.
In dieser Woche hatte der 48-Jährige in der Talksendung „Meinungsfreiheit“ bei Welt TV bereits gefordert, dass es klare Leitlinien für den Einsatz bestimmter Medikamente bei Hochbetagten geben müsse. Es gebe Phasen im Leben, in denen teure Medikamente „nicht mehr einfach so benutzt werden sollten“. Als Beispiel nannte er eine Krebstherapie bei 100-Jährigen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hatte diese Äußerungen scharf kritisiert. Vorstand Eugen Brysch warf Streeck vor, alte Menschen zu diskriminieren: „Das Grundgesetz garantiert jedem die Menschenwürde.“
Jetzt legt Streeck nach. Dabei bezieht er sich in dem Gastbeitrag „Es geht nicht ums Sparen, sondern ums Ersparen“ auf persönliche Erfahrungen mit der schweren Erkrankung seines Vaters. Er habe in dessen letzten Wochen erlebt, dass „nicht alles, was medizinisch möglich ist, auch menschlich vertretbar ist“. Laut einer Studie sterben 60 Prozent der Über-80-Jährigen nach einer Beatmung auf der Intensivstation. Gleichzeitig stiegen die Kosten in den letzten Lebensmonaten stark an, ohne dass sich die Lebensqualität entsprechend verbessere. „Wenn die Wahrscheinlichkeit zu sterben größer ist als die zu genesen, dürfen weder Kosten noch theoretische Möglichkeiten entscheiden. Sondern der Wunsch des Menschen. Seine Würde. Sein Frieden“, schreibt Streeck.
Streeck kritisiert, dass ältere Menschen in Deutschland oft „tot operiert“ würden. Gemeint seien etwa Herzklappenersatz oder mehrfach durchgeführte Hüftoperationen, die zwar technisch möglich, rechtlich abgesichert und finanziell lukrativ seien, aber nicht immer im Sinne des Patienten. „Unsere medizinische Praxis behandelt den 90-Jährigen oft wie den 50-Jährigen“, so Streeck. Stattdessen brauche es Zuwendung und Schmerzfreiheit.
In seinem Gastbeitrag fordert der CDU-Politiker einen Paradigmenwechsel. Behandlungen sollten sich nicht allein an dem orientieren, was technisch machbar sei, sondern an den Werten und Wünschen der Patienten. In anderen Ländern habe sich dafür das Leitprinzip „Concordance over Compliance“ (Übereinstimmung statt Erfüllung) etabliert. Auch der Ethikrat solle in die gesellschaftliche Debatte einbezogen werden.
Streeck selbst betont, dass es nicht um Rationierung gehe, sondern um „eine medizinische Kultur, die Menschen in den Mittelpunkt stellt“. Die Politik müsse dafür Rahmenbedingungen schaffen: durch Prävention, vernetzte Pflege und Strukturen, die Behandlung in der eigenen Wohnung ermöglichen. „Wir müssen Gesundheit vergüten, statt Krankheit. Wir müssen in Strukturen investieren, die Würde ermöglichen – statt in Eingriffe, die Erlöse bringen, aber keine Lebenszeit.“












