Für jedes Haarproblem scheint es ein Shampoo im Drogerie-Regal zu geben: gegen trockene Haare, gegen Schuppen und sogar gegen Haarausfall.
Viele der Haarausfall-Shampoos enthalten Koffein. Die anregende Wirkung soll das Haarwachstum stimulieren. Doch funktioniert das?
Pro Monat wachsen die Haare etwa einen Zentimeter. Gesund und glänzend finden sie meist ihren Weg aus der Kopfhaut heraus. Schäden kommen häufig durch äußere Einflüsse: häufiges Waschen, Rubbeln, Föhnen und Bürsten, aber auch Haarspray, Haargummis und Färben setzen der Haarstruktur zu. Die Haare werden trocken, verlieren an Glanz, brechen ab oder es entsteht Spliss in den Längen.
Fallen Haare komplett aus, liegt die Ursache meist tiefer: bei der Haarwurzel. Wird die Haarwurzel während der Wachstumsphase geschädigt oder gehen zu viele Haare auf einmal in die Ruhephase über, kommt es zu verstärktem Haarausfall. Ursachen für Haarwurzelschädigungen können unter anderem Medikamente, Mangelernährung und Krankheiten sein. Genetische und hormonelle Faktoren spielen ebenfalls eine bedeutende Rolle bei vermehrtem Haarverlust.
Die weitaus häufigste Form von Haarausfall ist der erblich bedingte Haarausfall, androgenetische Alopezie genannt. Bei den Betroffenen, vor allem Männer, reagieren die Haarwurzeln genetisch bedingt überempfindlich auf männliche Sexualhormone, vor allem Dihydrosteron (DHT), einer Variante von Testosteron. „In Folge können die Haare verstärkt ausfallen und/oder unzureichend nachwachsen. Da die Empfindlichkeit der Haarfollikel gegenüber den Androgenen mit dem Alter zunimmt, verstärkt sich dann auch der Haarausfall – und wird zunehmend sichtbar“, erklärt Dr. Uwe Schwichtenberg, Hautarzt aus Bremen und Mitglied im Berufsverband der Deutschen Dermatologen e. V. (BVDD).
Dr. med. Uwe Schwichtenberg ist Facharzt für Dermatologie und Allergologie und leitender Arzt der Derma Nord Hautarztpraxen in Bremen. Dr. Schwichtenberg ist Mitglied des Bundesvorstandes des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen e. V. (BVDD) sowie Redakteur und Experte auf www.haarerkrankungen.de.
Es gibt eine Reihe verschiedener Shampoos auf dem Markt, welche laut den Herstellern das Haarwachstum anregen sollen. Diese Shampoos enthalten verschiedene Wirkstoffe, darunter Koffein, das bereits in Kaffee durch seine aktivierende und anregende Wirkung bekannt ist. Doch lassen sich die Haarwurzeln durch Koffein aufwecken und stärken? Eines können Shampoos im Allgemeinen: für ein gutes Haargefühl, leichte Kämmbarkeit, einen verbesserten Glanz und weniger Haarbruch und Spliss sorgen. Das Haarwachstum beschleunigen können sie nicht.
„Das Haar hat seinen ganz natürlichen Wachstumszyklus. Es wächst in der Regel etwa einen Zentimeter pro Monat und fällt nach einigen Jahren natürlicherweise aus und ein neues Haar wächst nach. Sie können dies nicht durch ein Shampoo beeinflussen, etwa das Wachstum beschleunigen, indem Sie beispielsweise Koffeinshampoo auf die Kopfhaut auftragen“, sagt Schwichtenberg.
Und wie sieht es bei Haarausfall aus? Bei erblich bedingtem Haarausfall soll Koffein durch seine Anti-Testosteron-Wirkung gegen Haarverlust helfen – so die Theorie. Koffein ist in der Lage, das Enzym Phosphodiesterase zu hemmen, wodurch weniger Testosteron in seine aktive Form Dihydrotestosteron umgewandelt wird. Auf die Kopfhaut aufgebracht, soll Koffein also an den Wurzeln für weniger aktives Testosteron sorgen und dadurch Haarausfall entgegenwirken.
Wissenschaftliche Belege, dass Koffeinshampoos gegen Haarausfall wirksam sind, fehlen bislang. Zwar gibt es Labor-Studien, welche darauf hindeuten, dass Koffein in die Haarwurzel eindringen und die Wachstumsphase der Haare möglicherweise verlängern könnte. Dass Koffeinshampoos einen Effekt haben, ist allerdings nicht bewiesen. Daher findet sich auch keine entsprechende Empfehlung in den medizinischen Leitlinien zur Behandlung von erblich bedingtem Haarausfall.
„Koffeinshampoos enthalten viel zu wenig Koffein und verbleiben zudem nur sehr kurz auf der Kopfhaut. Ein bedeutsamer Effekt ist nicht zu erwarten“, sagt Schwichtenberg. „Wer unter Haarausfall leidet, sollte einen Dermatologen aufsuchen, die Ursache klären und eine entsprechende Behandlung beginnen, um dem Haarverlust entgegenwirken. Ein Koffeinshampoo ergänzend einzusetzen, ist natürlich möglich.“
Anlagebedingter Haarausfall betrifft nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit bis zu 70 Prozent der Männer und 40 Prozent der Frauen. Gekennzeichnet ist diese Form des Haarausfalls bei Männern typischerweise durch Geheimratsecken und eine lichte Stelle am oberen Hinterkopf. Im weiteren Verlauf kann sich eine Halbglatze mit Haarkranz bilden. Bei Frauen hingegen zeigt sich der anlagebedingte Haarausfall durch einen verstärkten Haarausfall in der Scheitelregion. Eine Glatze müssen Frauen in der Regel nicht befürchten. Ist eine androgenetische Alopezie die Ursache des Haarverlusts, sollten Betroffene rasch handeln, denn: Einmal verursachte Schäden an den Haarwurzeln sind nicht wieder rückgängig zu machen. Bereits ausgefallene Haare wachsen nicht wieder nach.
„Ziel der Therapie ist, einen weiteren Haarverlust zu verhindern. Eingesetzt werden die beiden Wirkstoffe Finasterid und Minoxidil. Beide wirken nachweislich. Minoxidil ist für die äußere Anwendung gedacht. Der Wirkstoff wird als Lösung oder Schaum auf die Kopfhaut aufgetragen. Finasterid kann als Tablette eingenommen werden und ist seit diesem Jahr auch als Spray zur äußeren Anwendung. Eine Tabletten-Einnahme sollte aufgrund möglicher Nebenwirkungen abgewogen werden“, erklärt Schwichtenberg. „Die Therapie der androgenetischen Alopezie ist eine Langzeittherapie. Setzt man das Medikament ab, kommt auch der Haarausfall wieder.“