Eigentlich ist man in der Union derzeit sehr bemüht darum, Geschlossenheit zu demonstrieren. Doch ein Blick auf den CSU-Parteitag am Wochenende zeigt: So einig ist man sich gar nicht.

Es hat auf dem Parteitag der CSU mittlerweile fast Tradition, dass neben zahlreicher Kritik am politischen Gegner auch innerparteiliche Seitenhiebe verteilt werden. Das war schon unter Horst Seehofer so. Und wurde von Markus Söder perfektioniert. Der CSU-Chef liebt die Provokation wie kein Zweiter. Wer mit Söder gemeinsam auftritt, muss in der Regel damit rechnen, mindestens einmal bloßgestellt zu werden.

Das Problem: Vom CSU-Parteitag an diesem Wochenende in Augsburg soll eigentlich ein anderes Signal ausgehen. Denn in der Union soll jetzt Einigkeit herrschen. Nachdem sich die Parteispitzen von CDU und CSU gemeinsam auf Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten geeinigt haben, ist Geschlossenheit besonders wichtig für die Schwesterparteien. Viele dürften das Wahlkampf-Desaster bei der vergangenen Bundestagswahl noch vor Augen haben.

Söder weiß, dass jede noch so kleine Stichelei seinerseits deshalb unter genauster Beobachtung steht. Nur, ob ihn das abhalten wird, ist fraglich.

Söder hat dieser Tage einen Lieblingsfeind: die Grünen. Bei jeder Gelegenheit arbeitet der Bayer sich an ihnen ab. Annalena Baerbock und Robert Habeck fordert er regelmäßig zum Rücktritt auf. Schwarz-Grün im Bund werde es mit ihm und der CSU ganz sicher nicht geben, so heißt es wieder und wieder. Zur Not will der bayerische Ministerpräsident sogar ein Veto gegen eine schwarz-grüne Koalition nach der Bundestagswahl einlegen. Dass CDU-Chef Merz das anders sieht? Ist Söder egal.

Dabei hat Merz im Vorfeld des Parteitags sehr deutlich gemacht, was er von der Debatte um Koalitionspartner hält: gar nichts. Gleich zweimal soll der CDU-Vorsitzende in den vergangenen beiden Sitzungen der Unionsfraktion im Bundestag darum gebeten haben, das Thema ruhen zu lassen. Teilnehmer des Treffens am vergangenen Dienstag berichten, Merz habe bewusst unterstrichen, man solle aufhören, sich damit zu beschäftigen; und dass es nicht hilfreich sei, jetzt eine solche Debatte zu führen. Damit hatte er wohl direkt auf entsprechende Aussagen von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt reagiert. Dieser hatte zuvor offenbar darauf hingewiesen, die europäische Schwesterpartei ÖVP habe bei der Wahl in Österreich vor allem wegen ihrer Koalition mit den Grünen an Zustimmung verloren. Von Merz dürfte es ein Signal gewesen sein, das der Vorsitzende über die Fraktion hinaus auch nach Bayern senden wollte.

Aber, wirkt es auch? Reicht Merz‘ Macht bis nach Augsburg?

Ob Söder sich beim Parteitag an diesem Wochenende bei etwaigen Koalitionsaussagen zusammenreißen wird oder nicht, bleibt abzuwarten. Allerdings sollte sich in der CDU keiner zu viel erhoffen. Denn schon die Leitanträge zum Parteitag senden die klare Botschaft, dass Schwarz-Grün mit der CSU inhaltlich nicht machbar sein wird. In den drei Papieren, die t-online vorliegen, geht es um Migration, Verteidigung und Wirtschaft. Die CSU fordert darin etwa, die Anzahl der Asylanträge auf weit unter 100.000 pro Jahr zu begrenzen. Außerdem soll eine Wiedereinführung der Wehrpflicht vorbereitet werden.

Für Merz macht das die Sache mehr als schwierig. Nicht nur, weil Söder hier den Eindruck vermittelt, dem CDU-Chef klar diktieren zu können, mit wem dieser koalieren möge – und mit wem eben nicht. Sondern auch, weil es den Verhandlungsspielraum deutlich einengt. Nicht nur zu der SPD, mit denen Söder lieber zusammenarbeiten will, sondern im Zweifel sogar gegenüber der FDP, sollte es nicht für ein Zweierbündnis reichen. Zwar ist aktuell nicht einmal gesagt, dass die Liberalen wieder ins Parlament einziehen, in den Umfragen liegen sie gerade unterhalb der Fünfprozenthürde. Sollte der Sprung in den Bundestag aber klappen und sollten sie für ein Bündnis gebraucht werden, wäre zum Beispiel eine neuerliche Wehrpflicht ein Punkt, bei dem die FDP nicht mitgehen könnte.

Am Ende wird Söder das Thema auch jenseits des Parteitags wohl nicht ruhen lassen. Der CSU-Chef hat gleich mehrere Gründe dafür, das Ganze weiter voranzutreiben. Zum einen ist es die ultimative Machtdemonstration. Nachdem Merz zum Kanzlerkandidaten gekürt wurde, kann der Bayer so zeigen, dass eigentlich völlig egal ist, wer in Berlin das Zepter in der Hand hat. Das letzte Wort hat dann immer noch er.

Aktie.
Die mobile Version verlassen