Hansi Flick und der FC Barcelona stehen nach 25 Spielen an der Tabellenspitze der spanischen Liga. Für den Erfolg geht der deutsche Trainer ein hohes Risiko.

Kylian Mbappé wird sich im Oktober vergangenen Jahres womöglich wie Bill Murray in „Und täglich grüßt das Murmeltier“ gefühlt haben. Immer wieder ging die Fahne des Linienrichters hoch, wenn der Stürmer von Real Madrid gegen den FC Barcelona in die Spitze startete. Insgesamt achtmal lief Mbappé an diesem Abend im Estadio Santiago Bernabéu ins Abseits. Nicht nur aufgrund des deutlichen Ergebnisses aus Reals Sicht (0:4) war es ein denkwürdiges Spiel. Sondern auch, weil Barcelona mit einer einzigartigen Spielweise den Gegner dominierte.

Flicks riskantes System ist in Deutschland bereits bekannt. Schon beim FC Bayern fiel der 60-Jährige mit einer extrem hoch stehenden Abwehrreihe auf. Flick wollte permanent Druck auf den Gegner erzeugen, setze auf ein aggressives Pressing bei gegnerischem Ballbesitz und ein giftiges Gegenpressing nach Ballverlust.

Dass das mit den richtigen Spielern funktionieren kann, bewies er in München in seiner Sextuple-Saison mit den Bayern, als er jeden möglichen Titel gewann. Dass es auch schiefgehen kann, bewies er bei der deutschen Nationalmannschaft, die bei der WM 2022 in Katar schon in der Gruppenphase rausflog, weil sie von Japan eiskalt ausgekontert wurde.

Flick ließ sich vom Misserfolg beim DFB nicht beirren, blieb seinem Stil treu und brachte sein riskantes System mit zum FC Barcelona, der ihn im Sommer 2024 verpflichtete. Doch nicht nur das. Flick erhöhte das Risiko noch einmal spürbar.

Das unter Ex-Trainer Xavi oft lethargisch spielende Barça war auf einmal aktiv, aggressiv und physisch dominant. In der Vorbereitung hatte Flick die Spieler viel Krafttraining machen lassen, damit sie für seinen intensiven Spielstil die nötige Muskulatur haben. Die spanische Zeitung „Sport“ sprach im September von einer „Revolution“. Flicks Barça „funktioniert wie ein Flugzeug, so wie Bayern München, als sie sechs Titel gewannen“.

Wie einzigartig und fast schon wahnsinnig dieses Flugzeug unterwegs ist, ist an einer Zahl zu erkennen: 140.

So oft ließ der FC Barcelona seine Gegner in der Liga ins Abseits laufen, das sind 5,6 Abseitsstellungen pro Spiel. Was schon ohne Vergleich hoch klingt, wirkt bei einem Blick auf die Zahlen anderer Klubs fast absurd (Stand: vor dem aktuellen Spieltag). Der CA Osasuna ist mit 72 Abseitsstellungen auf Rang zwei aller Teams der spanischen Liga. In der Bundesliga führt der VfB Stuttgart mit 60 Abseitsstellungen das Ranking an, in der Premier League ist es Brighton & Hove Albion mit 75.

Wie weit Flicks Barcelona von der Konkurrenz in dieser Statistik entfernt ist, zeigt auch die Champions League. 48-mal liefen die Gegner der Katalanen ins Abseits. Auf Rang zwei: Aston Villa (26).

Barcelonas extrem hoch stehende Defensivreihe birgt einige Chancen, aber auch einige Gefahren. Denn wenn ein Gegner nicht auf die Abseitsfalle hereinfällt und die Abwehrkette überspielt, gibt es viel freien Raum bis zum Tor. Flicks Mannschaft lässt im Schnitt die Chancen mit der höchsten Qualität pro Schuss zu. Der Wert der „Expected Goals Allowed per Shot“, also der zugelassenen erwarteten Tore pro Schuss, liegt abzüglich von Elfmetern bei 0,13. Zum Vergleich: Der Wert des FC Bayern in der Bundesliga liegt bei 0,11, was in dieser Statistik ein signifikanter Unterschied ist.

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