Ein Ranking sieht Hamburgs Innenstadt auf Platz 1 im deutschlandweiten Vergleich. Unverständlich, denn Hamburgs Innenstadt kämpft mit großen Herausforderungen.

Seit knapp einem Jahr ist der Jungfernstieg zur Dauerbaustelle umfunktioniert: Bagger, Bauarbeiter und Absperrungen in Rot-Weiß prägen das Bild. Eines ist klar: Hier entsteht gerade etwas Neues. Hamburgs Innenstadt steckt in einer Transformation. Und der Prachtboulevard ist ein Aushängeschild für diesen Wandel.

Ein aktuelles Ranking kommt zu einem überraschenden Ergebnis: neben der Innenstadt von München wird ausgerechnet Hamburg für seinen attraktiven Stadtkern ausgezeichnet. Immerhin 5.000 Menschen stimmten für die „Deutschlandstudie Innenstadt 2024“ von Cima-Monitor ab. Einkaufen, Essen gehen, Leute treffen und Ärzte – das ist es, was den Befragten in der Innenstadt wichtig ist.

Sicherlich, die Innenstadt hat ihre hübschen Ecken. Ignoriert man die Riesenbaustelle ist es rund um die Binnenalster zauberhaft. Auch der Rathausmarkt und die umliegenden Straßen mit den herrschaftlichen Altbauten bilden ein hanseatisch-großstädtisches Bild. Hier kann man klasse bummeln. In den Räumen über den Geschäften sitzen Top-Ärzte, übrigens auch für Kassenpatienten.

Aber Innenstadt, das ist auch die Ludwig-Erhard-Straße, eine sechsspurige Betonschneise, auf der sich LKW und Pendler durch die Stadt drücken. Es ist auch das Areal zwischen Hauptbahnhof und Drob Inn, wo die aktive Drogen- und Trinkerszene residiert. Oder der Bereich rund um die Europapassage, wo abends Jugendbanden abhängen und das Gebiet zum Angstraum machen.

Rein architektonisch steckt Hamburg in einem ähnlichen Dilemma, wie viele andere Großstädte im Land: Nach dem Krieg waren die Innenstädte dem Erdboden gleich gemacht. Statt herrschaftlicher Kaufmannshäuser wurden unansehnliche Betonklötze hochgezogen. Dazu kam die Idee der autogerechten Stadt und eine Entmischung der Funktionalität: In der Innenstadt wurde geshoppt und gearbeitet, aber nicht mehr gewohnt. Das Ergebnis: Entvölkerte Stadtkerne nach Feierabend. Und inzwischen zunehmend Leerstand.

Denn auch dieses Schicksal teilt Hamburg: Zunächst starben inhabergeführte Läden und Traditionsgeschäfte aus, die schon vor Jahrzehnten aufgrund von Horrormieten Pleite gingen. Dann folgten austauschbare Filialen von Ketten. Innerhalb kürzester Zeit war es egal, ob man in Hannover, Köln oder Hamburg einkaufen ging – die Geschäfte unterschieden sich kaum noch.

Mit der Erfindung des Onlineshoppings geht es nun auch den Filialgeschäften an den Kragen. Denn die Kunden bleiben weg. Quo vadis Innenstadt?

Eine echte Antwort hat Hamburg bisher nicht auf die Frage. Doch es gibt hauchzarte Bemühungen, die in die richtige Richtung deuten: Das ehemalige Karstadt-Sport-Gebäude wird von Künstlern als Fläche genutzt. Der motorisierte Individualverkehr wird zunehmend aus dem Innenstadtkern herausgedrängt. Wohnungen werden mitten in der Stadt gebaut. Neue gastronomische Konzepte siedeln sich gezielt in der Innenstadt an. Clevere Kantinenangebote, elegante Bars, neapolitanische Pizza – in Hamburgs Innenstadt tut sich was.

Ist das schon preisverdächtig? Sicherlich nicht. Aber Hamburg hat Ideen, um sich gegen die Entwicklungen zu stemmen und etwas Neues auf den Weg zu bringen. Eine davon kann man schon bald besichtigen: Pünktlich zur Vorweihnachtszeit wird der Jungfernstieg fertig sein. Ein neuer Prachtboulevard für eine neue Zeit. Lassen wir uns überraschen.

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