Auto rast über Weihnachtsmarkt

Grüner von Notz zu Anschlag: „Handlungsdefizit“ bei Behörden

Aktualisiert am 24.12.2024 – 04:00 UhrLesedauer: 4 Min.

Konstantin von Notz hält eine Debatte über Vorratsdatenspeicherung aktuell für falsch. (Archivbild) (Quelle: Kay Nietfeld/dpa/dpa-bilder)

News folgen

Was haben die Behörden über den Mann gewusst, der mit dem Auto über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg raste? Ein Grüner Innenexperte spricht von Defiziten. Wie geht es weiter mit der Aufklärung?

Nach dem Weihnachtsmarkt-Anschlag von Magdeburg sieht der Grüne Vizefraktionschef Konstantin von Notz ähnliche Defizite wie beim Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz. „Der entsetzliche Anschlag von Magdeburg erinnert auf frappierende Weise an den Anschlag vom Breitscheidplatz vor acht Jahren“, sagte von Notz der „Rheinischen Post“. 2016 war in Berlin ein islamistischer Terrorist mit einem entführten Lastwagen auf einen Weihnachtsmarkt gerast – 13 Menschen kamen ums Leben.

„Erneut scheint es im Hinblick auf den Täter und die von ihm ausgehende Bedrohung ein Gesamterkenntnisdefizit und ein Problem beim Zusammenführen der verschiedenen Informationen gegeben zu haben“, sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Er erwarte, dass die Bundesregierung und die Landesregierung in den kommenden Tagen detailliert darlegen, was sie zu welchem Zeitpunkt über Taleb A. wussten und wie mit den Hinweisen umgegangen wurde.

Taleb A. war mit einem Auto am Freitagabend über den Weihnachtsmarkt gerast und hatte fünf Menschen getötet und bis zu 235 verletzt. Er sitzt in Untersuchungshaft. Ihm werden fünffacher Mord, mehrfacher versuchter Mord und mehrfache gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.

Bundeskriminalamt und Bundesinnenministerium wollen nach dpa-Informationen bis zur Sondersitzung des Innenausschusses am kommenden Montag eine Fallchronologie zum Täter des Anschlags vorlegen. Es soll dabei zusammengetragen werden, welche Behörden zu welchem Zeitpunkt welche Hinweise zum Täter hatten und wie diesen nachgegangen wurde. Behörden in mindestens sechs Bundesländern sollen mit ihm zu tun gehabt haben.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigte an, sie wolle Transparenz schaffen. Auf die Frage, ob die Sicherheitsbehörden den Anschlag nicht hätten verhindern müssen, sagte die SPD-Politikerin der Funke Mediengruppe: „Das wird in den Ermittlungen nach dieser furchtbaren Tat genaustens geprüft. Hier wird jeder Stein umgedreht – und volle Transparenz hergestellt.“

Innenministerin Faeser will für Transparenz sorgen. (Quelle: Jan Woitas/dpa/dpa-bilder)

„Genau wie wir aus dem schrecklichen Attentat in Solingen mit dem Sicherheitspaket der Bundesregierung umfassende Konsequenzen gezogen und danach die Sicherheitsbehörden gestärkt haben, werden wir auch jetzt alles tun, um die richtigen Lehren zu ziehen“, sagte Faeser.

Die Motive des Täters seien aber noch diffus und passten in kein bisheriges Muster. Die Ermittlungen müssten noch ein klareres Bild ergeben. „Und daraus gilt es dann abzuleiten, welche Mechanismen in den Polizeibehörden geschärft werden müssen, um die Gefährlichkeit von Personen so präzise wie nur möglich zu ermitteln.“

Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen erfuhr, verdichten sich die Hinweise auf eine psychische Erkrankung des 50-Jährigen, der sich in sozialen Medien zuletzt zunehmend wirrer und radikaler geäußert hatte.

Was wussten die Behörden vor der Tat bereits über den Täter? (Quelle: Christoph Soeder/dpa/dpa-bilder)

Faeser sagte erneut, die noch ausstehenden Gesetzentwürfe zur inneren Sicherheit sollten umgehend beschlossen werden und kritisierte FDP und Union für Blockaden in der Vergangenheit.“Außerdem brauchen wir die rechtssichere Speicherpflicht von IP-Adressen, die im Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus essenziell ist und inzwischen vom Europäischen Gerichtshof nicht nur für zulässig, sondern für erforderlich erklärt wurde“, sagte die Ministerin.

Von Notz sieht das Problem allerdings nicht bei den Befugnissen der Behörden. „Es kann nicht sein, dass es einem Täter zum Vorteil gereicht, wenn er seine Aktivitäten auf mehrere Bundesländer verteilt. Es wird sich in der Aufklärung zeigen, ob sich diese föderalismusbedingten Probleme bestätigen“, sagte er der Funke Mediengruppe. Es erschließe sich ihm nicht, wie man als Reaktion auf diesen Anschlag nun wieder mit der Vorratsdatenspeicherung um die Ecke kommen wolle.

„Die Behörden haben ja offenbar nicht mal die öffentlichen Tweets dieses Mannes gelesen. Man hat hier kein Defizit an Durchgriffsoptionen, man hat ein Handlungsdefizit.“

Aktie.
Die mobile Version verlassen